20. Oktober 2022

Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach § 3a Einkommensteuergesetz

Die Folgen der Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Gas-Krise stellen viele Unternehmen vor große wirtschaftliche Herausforderungen. Manche Unternehmen geraten in eine finanzielle Notsituation und können nur durch planmäßige Sanierungsmaßnahmen vor einem Zusammenbruch gerettet werden. Unter bestimmten Umständen können Sanierungsgewinne nach § 3a EStG steuerfrei sein. Diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen sollten Sie kennen.

Sanierung durch Schuldenerlass der Gläubiger:innen

Eine Möglichkeit der Sanierung ist der Schuldenerlass durch die Gläubiger:innen. Jedoch führt ein Schuldenerlass regelmäßig zu einem gewinnerhöhenden Ertrag in den Geschäftsbüchern des/der Schuldner:in. Eine dadurch erhöhte Steuernachzahlung läuft der Sanierungswirkung dieser Maßnahme zuwider.

Welche Sanierungserträge sind nach § 3a EStG steuerfrei?

Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung steuerfrei. Durch die Formulierung „Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen“ ist die Steuerbefreiung unterschiedslos auf alle Unternehmen und insbesondere unabhängig davon, ob der Gewinn durch Bilanzierung oder Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) erzielt wird, anzuwenden.

Der Sanierungszweck ist grundsätzlich gegeben, wenn die Maßnahme mit der Absicht der Unternehmensfortführung durchgeführt wird.
Unternehmensbezogen ist die Sanierung, wenn die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und eine Sanierungsabsicht der Gläubiger:innen nachgewiesen wird. Außerdem muss die Sanierungseignung der Maßnahme dargelegt werden. Nach § 3a Absatz 2 EStG muss der/die Unternehmer:in diese Voraussetzungen durch eine geeignete Dokumentation nachweisen.

Schuldenerlass zum Zwecke einer Sanierung

Der Gesetzgeber hatte als Leitbild für einen begünstigten Sanierungsertrag betrieblich veranlasste Sanierungsmaßnahmen der Gläubiger:innen vor Augen.  Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG ist nur der Schuldenerlass begünstigt. Er kann durch einen Erlassvertrag oder ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 1 und 2 BGB) erfolgen. Auch der Forderungsverzicht und der Forderungsverzicht gegen Besserungsschein durch Gläubiger:innen sind begünstigte Sanierungsmaßnahmen.
Ob Konfusionsgewinne bei Einlagen von Forderungen, Debt-Equity-Swaps oder ein Schuldenerlass eines/einer Gesellschafter:in vom Sanierungsertrag im Sinne des § 3a EStG erfasst werden, muss im Einzelfall überprüft werden.

Andere Maßnahmen, wie 

  • Stundung,
  • Aufrechnung,
  • Schuldübernahme,
  • Barzuschüsse oder andere Sanierungsbeiträge von Gläubiger:innen wie akzeptierte Preiserhöhungen oder geminderte Einkaufspreise

 werden nicht von § 3a EStG erfasst.

Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens

Der Schuldenerlass muss geeignet sein, den finanziellen Zusammenbruch des Unternehmens abzuwenden. Dafür muss die Ertragsfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt werden. Zu prüfen ist hierbei insbesondere die Höhe der Verschuldung und der Umfang des Schuldenerlasses. Aber auch die Gründe, welche die Notlage bewirkt haben, sowie die zukünftigen Ertragsaussichten müssen untersucht werden.

Ein tatsächlicher Sanierungserfolg ist für die Steuerfreistellung nicht erforderlich. Wird ein Insolvenz- oder Restrukturierungsplan aufgestellt, müssen sich Sanierungseignung und -fähigkeit aus der Planbegründung ergeben.

Sanierungsabsicht der Gläubiger:innen

Eine Sanierungsabsicht liegt vor, wenn die Schuld nach den Vorstellungen des/der Gläubiger:in zur Sanierung des Unternehmens erlassen wird. Verzichten mehrere Gläubiger:innen in einer Krise gemeinschaftlich auf ihre Forderungen, wird die Absicht im Rahmen eines Gläubigerakkords oder Planerlasses regelmäßig vermutet.
In Abgrenzung dazu sind ausschließlich eigennützige Motive des/der Gläubiger:in schädlich. Die liegen vor, wenn es dem/der Gläubiger:in zum Beispiel nur um Sicherung der Rückzahlung einer Restforderung geht.

So wirkt die Steuerbefreiung der Sanierungsgewinne

Durch § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG ist ein begünstigter Sanierungsertrag steuerfrei. Der Sanierungsertrag wird außerhalb der Bilanz im Rahmen der Steuererklärung herausgerechnet. Betriebsausgaben, die mit einem steuerfreien Sanierungsertrag im Sinne des § 3a in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, müssen für steuerliche Zwecke allerdings auch aus dem Ergebnis herausgerechnet werden. Durch § 7b GewStG wirkt die Steuerbefreiung auf die Gewerbesteuer. 

Verbrauch von Verlustvorträgen

Der Gesetzgeber möchte eine Doppelbegünstigung verhindern. Die war beim alten § 3 Nr. 66 EStG eingetreten, soweit die Steuerbefreiung des Sanierungsertrags in Anspruch genommen und daneben bestehende Verluste zeitlich unbefristet vorgetragen wurden. Anders als beim Sanierungserlass durch das BMF-Schreiben vom 27.03.2003 findet keine Kürzung des steuerfreien Sanierungsertrags statt. Stattdessen ordnet der neue § 3a EStG einen teilweisen Untergang der Verlustpotenziale an, wenn ein Sanierungsertrag steuerfrei gestellt wird. Technisch setzt das Gesetz dies um, indem bestehende Verluste und Verlustvorträge in Höhe des Sanierungsertrags in einer bestimmten Reihenfolge in Höhe des Sanierungsertrags gemindert werden müssen. 

Die Steuerbefreiung löst daneben weitere Rechtsfolgen aus. So müssen gewinnmindernde steuerliche Wahlrechte wie Teilwertabschreibungen zwingend ausgeübt werden. Dies hat zur Folge, dass im Sanierungsjahr sowie dem Folgejahr das Ergebnis gemindert und ein etwaiger steuerlicher Verlust erhöht wird. Dadurch soll die Verlustkürzung des § 3a EStG bei Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen erweitert werden.

Hintergrund der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen

Die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen geht zurück auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) aus den Zwanzigerjahren. Erträge aus dem Erlass von Verbindlichkeiten durch Gläubiger:innen in Sanierungsabsicht wurden von diesem bereits vor fast 100 Jahren von der Besteuerung ausgenommen.
Die Rechtsprechung des RFH fand 1934 zunächst Einlass in das Körperschaftsteuergesetz. Erst im Jahr 1976 wurde mit § 3 Nr. 66 auch eine Regelung in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Diese Regelung stellte lange Zeit „Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden“, steuerfrei. Jedoch wurde sie im Jahr 1998 aufgrund einer Doppelbegünstigung durch den damaligen unbegrenzten Verlustabzug wieder aufgehoben.

Erlassregelung durch Bundesfinanzministerium war verfassungswidrig

Durch das BMF-Schreiben vom 27.03.2003 gab es zwischenzeitlich eine Anweisung der Finanzverwaltung zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen. Unter bestimmten Voraussetzungen sollte aus sachlichen Billigkeitsgründen die Steuer für Sanierungsgewinne erlassen werden.
Der Große Senat des Bundesfinanzhofs urteilte jedoch, dass dieses BMF-Schreiben gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und die Kompetenz zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen ausschließlich beim Gesetzgeber liegt. Dieser reagierte in der Folge und nahm im Jahr 2017 unter anderem den § 3a in das Einkommensteuergesetz auf.

Unsere Einschätzung

Die Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen ist von elementarer Bedeutung für den Erfolg einer Sanierungsmaßnahme. Eine aus der Sanierung resultierende Steuer- und damit Liquiditätsbelastung können für angeschlagene Unternehmen schwerwiegende Folgen haben. Wir empfehlen, bei der Erstellung eines Sanierungskonzepts auch stets die Voraussetzungen des § 3a EStG vorab zu prüfen. Benötigen Sie Unterstützung bei der Sanierung Ihres Unternehmens? Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie sehr gern.

Tim Weyers

Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

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