12. Oktober 2022

Was Sie zum neuen Anwendungsbereich der Bauabzugssteuer wissen müssen.

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Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 19.07.2022 das 20 Jahre alte Schreiben zur Bauabzugssteuer überholt und somit den umfangreichen Anwendungsbereich der Bauabzugssteuer verwaltungsseitig bestätigt. Welche Auswirkung diese neue Einschätzung der Finanzverwaltung hat, erfahren Sie hier.

Einordnung und Regelungen zur Bauabzugssteuer

Die Bauabzugssteuer dient zur Eindämmung von Schwarzarbeit und zur Sicherung des Steueraufkommens. Dabei steht der Empfänger, der bei Bauleistungen die Entrichtungsschuld für die Bauabzugssteuer trägt, im Mittelpunkt.
Grundsätzlich entsteht die Bauabzugssteuer bei der Ausführung von inländischen Bauleistungen an eine:n umsatzsteuerliche:n Unternehmer:in oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft definiert sich nach der Regelung des § 2 UStG. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der

  • Herstellung,
  • Instandsetzung,
  • Instandhaltung,
  • Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Die Bemessungsgrundlage der Bauabzugssteuer richtet sich nach dem Wert der erbrachten Gegenleistung der Bauleistung (zzgl. Umsatzsteuer). Die einzubehaltende Bauabzugssteuer beträgt 15 Prozent. 

Es gibt Möglichkeiten, auf den Einbehalt der Bauabzugssteuer zu verzichten. Der Einbehalt ist nicht erforderlich, wenn bestimmte Grenzen nicht überschritten werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die Freistellungsbescheinigung für Bauleistende nach § 48b EStG, die bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen auf Antrag ausgestellt wird. Zu beachten ist, dass nur dann von der Abzugsverpflichtung abgesehen werden kann, wenn die gültige Freistellungsbescheinigung auch tatsächlich vorliegt.

Für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung, muss gegenüber der Finanzverwaltung glaubhaft gemacht werden, dass der Steueranspruch des Finanzamts nicht gefährdet ist. Eine Gefährdung liegt z.B. vor, wenn der/die Bauunternehmer:in die Anzeigepflichten nach § 138 AO ignoriert. Die Freistellungsbescheinigung wird für eine bestimmte Geltungsdauer ausgestellt. Es empfiehlt sich, die Geltungsdauer zu überprüfen, damit das Risiko der falschen Beurteilung über den Einbehalt minimiert wird.

Darstellung des BMF-Schreibens

Mit dem Schreiben vom 19.07.2022 (BStBl 2022 I S.1229) gibt es eine neue Ansicht der Finanzverwaltung zur 20 Jahre alten Bauabzugssteuer-Regelung (27.12.2002 – IV A 5 -S 2272- 1/02 BStBl 2002 I S. 1399). Im BMF-Schreiben hat sich die Finanzverwaltung mit dem Begriff des Bauwerks beschäftigt. Dabei nimmt sie Bezug auf die Entscheidung des BFH-Urteils vom 07.11.2019 – I R 46/17 (BStBl 2020 II S.552). Nach Auffassung des BFH ist der Begriff des Bauwerks weder auf Gebäude noch auf unbewegliche Wirtschaftsgüter zu beschränken. Die Leistung kann an einem Bauwerk nach der Vorschrift der Bauabzugssteuer vorliegen, wenn etwas mit dem Boden fest verbunden wird oder aufgrund seiner Schwere auf dem Erdboden ruht.

Konsequenz aus der erweiterten Definition des Bauwerks

Die Bauabzugssteuer verlangt eine Bauleistung zur Verwirklichung. Bauleistungen sind nach gesetzlicher Definition alle Leistungen, die ein Bauwerk herstellen oder verändern. Da der Begriff der Bauwerke nun nach Auffassung der Finanzverwaltung weiter gefasst wird, können auch Bauleistungen nicht nur an Gebäuden, sondern auch an Scheinbestandteilen oder Betriebsvorrichtungen erbracht werden. Aufgrund dessen muss fallspezifisch geprüft werden, ob ein Bauwerk im Sinne der Regelung vorliegt und ob für die erbrachte Leistung die Bauabzugssteuer abzuführen ist. 

Bauabzugssteuer: Photovoltaikanlagen als Sonderfall

Als wesentlicher Bestandteil der Energiewende sind insbesondere Photovoltaikanlagen nicht wegzudenken. Sie kommen immer häufiger zum Einsatz und gewinnen immer mehr an Bedeutung. Abweichend vom BFH, welcher nur Freiland-Photovoltaikanlagen ohne Fundament als Bauwerk eingestuft hat, sind nach Auffassung der Finanzverwaltung alle Photovoltaikanlagen als Bauwerke zu verstehen. Die damit verbundenen Arbeiten (z. B. der Austausch von Modulen) können somit als Bauleistungen angesehen werden. Dadurch ergibt sich eine Pflicht zur Einbehaltung der Bauabzugssteuer sowie deren Anmeldung und der Abführung durch den Leistungsempfänger, sofern die beschriebenen Ausnahmen nicht in Betracht kommen.

Unsere Einschätzung

Das BMF-Schreiben spiegelt im Wesentlichen die Auffassung der Rechtsprechung wider und erweitert die bisherige Verwaltungsmeinung. Da der Anwendungsbereich der Bauabzugssteuer zukünftig weiter gefasst wird und eine korrekte Anwendung und Dokumentation verlangt, ist es für Unternehmer:innen schwieriger, die Vorschrift fehlerfrei anzuwenden. Um die steuerlichen Risiken zu verringern, ist es daher ratsam, sich genau mit der Vorschrift zu befassen und alle erforderlichen Bedingungen zu erfüllen. Folglich könnte ein Verspätungszuschlag entstehen, wenn die Anmeldung zu spät erfolgt oder der/die Leistungsempfänger:in für die Bauabzugssteuer haftet, falls der Einbehalt nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Bedarf für eine Überprüfung möglicher Abzugspflichten als Bauleistungsempfänger:in haben oder als Bauleistender eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG bei dem für Sie zuständigen Finanzamt beantragen möchten. 

Julian Heesemann

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für die Umstrukturierung von Unternehmen (IFU /ISM gGmbH), Diplom-Finanzwirt, LL.M.

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