17. August 2022

Neuen Einkommensteuertarife: Maßnahmen gegen die kalte Progression

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Inhaltsverzeichnis

Am 10.08.2022 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Eckpunkte für ein Inflationsausgleichsgesetz vorgelegt. Diese beinhalten unter anderem neue Einkommensteuertarife. Damit soll die jährlich wachsende Steuerlast aufgrund der Inflation (Kalte Progression) gebremst werden. Auch Familien sollen gezielt unterstützt werden. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Pläne.  

Kampf gegen die kalte Progression: 48 Millionen Steuerzahler sollen entlastet werden

Laut Bundesministerium der Finanzen (BMF) sollen etwa 48 Millionen Steuerpflichtige entlastet werden. 

  • Arbeitnehmer:innen,
  • Rentner:inen,
  • Selbstständig Tätige, 
  • und Unternehmer:innen.

Dadurch sollen weniger Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgeben müssen, was zu einem reduzierten Verwaltungsaufwand führe, schreibt das Ministerium. 

Neue Einkommensteuertarife: Was ist geplant?

Die Einkommensteuertarife (§ 32a EStG) sollen im Vorgriff auf die voraussichtlichen Ergebnisse des im Herbst 2022 vorliegenden 14. Existenzminimumberichts und des 5. Steuerprogressionsberichts angepasst werden. Der Grundfreibetrag soll angehoben und die Tarifeckwerte sollen verschoben werden.

  • Anhebung des Grundfreibetrags ab 1.1.2023 um 285 Euro auf 10.632 Euro
  • Anhebung des Grundfreibetrags ab 1.1.2024 um weitere 300 Euro auf 10.932 Euro
  • Verschiebung der Tarifeckwerte: Spitzensteuersatz greift ab 1.1.2023 erst bei 61.972 Euro anstatt bisher bei 58.597 Euro; ab 1.1.2024 greift dieser dann ab 63.515 Euro

Was bedeuten diese Änderungen bei den Einkommensteuertarifen?

Mit der geplanten Rechtsverschiebung der Tarifeckwerte soll der Effekt der kalten Progression ausgeglichen werden. Durch die kalte Progression entstehen automatisch laufend Steuermehreinnahmen, wenn Einkommenserhöhungen die Inflation ausgleichen und es in Folge des progressiven Einkommensteuertarifs bei unverändertem Realeinkommen zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung kommt. Das BMF beschreibt die kalte Progression kurz: „Der Begriff bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Ergebnis: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.“

Mit den geplanten Änderungen in den Einkommensteuertarifen sollen trotz steigender Inflation Lohnsteigerungen und Entlastungen spürbar sein. Diese sollen nicht weiter durch eine progressionsbedingt höhere Einkommensbesteuerung gemindert werden. Wichtig bei diesem Thema ist zu nennen, dass die sogenannte „Reichensteuer“ davon erst einmal ausgenommen werden soll. Die Tarifeckwerte zur „Reichensteuer“ (45%-ige Steuerbelastung) werden zunächst unverändert beibehalten.

Weitere Maßnahmen geplant: Das sind die Pläne zur Entlastung von Familien

Erhöhung des Kinderfreibetrags (§ 32 Absatz 6 EStG):

  • rückwirkend ab 1.1.2022 je Elternteil von 2.730 Euro auf 2.810 Euro
  • ab 1.1.2023 je Elternteil von 2.810 Euro auf 2.880 Euro
  • ab 1.1.2024 je Elternteil von 2.880 Euro auf 2.994 Euro

Erhöhung des Kindergelds (§ 66 EStG);

Ab 1. Januar 2023:

  • Erhöhung für das erste und zweite Kind um 8 Euro monatlich von 219 Euro auf 227 Euro;
  • für das dritte Kind um 2 Euro monatlich von 225 Euro auf 227 Euro;
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro.

Ab 1. Januar 2024:

  • Weitere Erhöhung für das erste, zweite Kind und dritte Kind um 6 Euro monatlich auf jeweils 233 Euro;
  • für das vierte und jedes weitere Kind weiterhin 250 Euro.

Das ändert sich bei Unterhaltszahlungen

Der Unterhalthöchstbetrag (§33a EStG) soll rückwirkend für das Veranlagungsjahr 2022 von 9.984 Euro auf 10.347 Euro angehoben werden. Zukünftige Anpassungen sollen über einen dynamischen Verweis auf die Höhe des Grundfreibetrags erfolgen. Auch das soll der Beseitigung der „Kalten Progression“ dienen.

Unsere Einschätzung

Die Beseitigung der kalten Progression wurde von verschiedenen Seiten bereits seit vielen Jahren gefordert. Nun soll dieses Thema tatsächlich endlich einmal angegangen werden. Es ist zu hoffen, dass das Vorhaben umgesetzt wird und auch in Zukunft ständig auf der Agenda der jeweiligen Bundesregierung steht. Der Abbau der kalten Progression ist vielleicht nicht so dringend, sofern die Inflationsrate bei unter 2 Prozent liegt. Die niedrigen Inflationsraten hatten wir nun viele Jahre. Aktuell liegt die Inflation jedoch weit höher bei ca. 8 Prozent. Aufgrund der steigenden Energiekosten wird auch über Inflationsraten von über 10 Prozent gesprochen. Somit ist es aus unserer Sicht unabdingbar, dass die Steuerpflichtigen die jährlichen Steuererhöhungen aufgrund der Inflation nicht mehr tragen müssen. Der Abbau der kalten Progression ist geboten. Bürger:innen sollen bei steigenden Energiekosten und der spürbaren Inflation unterstützt werden.
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Lars Rinkewitz

Prokurist, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

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