27. Juni 2022

Grunderwerbsteuer bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft

Kategorien: Unkategorisiert

Grunderwerbsteuerbare Vorgänge im Wege der Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft sind von der Grunderwerbsteuer befreit. Das hat das Finanzgericht Münster mit Beschluss vom 3. Mai 2022 unter dem Aktenzeichen 8 V 246/22 GrE entgegen den obersten Finanzbehörden der Länder entschieden.

Das Urteil des Finanzgerichts Münster hat Signalwirkung

Im Verfahren des Finanzgerichts Münster hat ein im Handelsregister eingetragener Einzelunternehmer eine GmbH neu gegründet. Sein Ziel: Sein Einzelunternehmen mit mehreren Grundstücken im Betriebsvermögen auf die GmbH auszugliedern. Darüber hinaus wurden Anteile einer weiteren GmbH auf die neu gegründete GmbH ausgegliedert. Diese GmbH war auch Alleingesellschafterin weiterer, teils grundbesitzender Kapitalgesellschaften.

Das zuständige Finanzamt setzte im Hinblick auf die Ausgliederung der Grundstücke und der GmbH-Beteiligung Grunderwerbsteuer fest. Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid legte die neu gegründete GmbH Einspruch ein. Zur Begründung trug die GmbH vor, dass die Erwerbsvorgänge nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nicht der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen seien. So hatte es bereits das Sächsische Finanzgericht entschieden (FG Sachsen, Urt. v. 30.6.2021 – 2 K 121/21).
Das Finanzamt hielt jedoch an der Verwaltungsauffassung fest, dass § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) auf Fälle der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft keine Anwendung finde (siehe auch Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 22.09.2020 – NWB Datenbank).

Das bedeutet der Begriff Ausgliederung im Umwandlungsgesetz (UmwG)

Bei einer Ausgliederung im Sinne des § 123 Abs. 3 UmwG kann der bzw. die Übertragende einen oder mehrere Teile seines/ihres Vermögens

  • auf eine:n bestehende:n Rechtsträgerin (Ausgliederung zur Aufnahme)
  • oder auf eine:n neu gegründete:n Rechtsträger:in (Ausgliederung zur Neugründung)

übertragen. Im Gegenzug erhält der oder die Übertragende Anteile an dem/der übernehmenden Rechtsträger:in.

Der Kreis der Personen, die an einer Ausgliederung beteiligt sein können, wird durch die §§ 3, 124, 152 UmwG festgelegt. So kann ein:e Einzelunternehmer:in zwar übertragende:r, aber nicht übernehmende:r Rechtsträger:in bei einer Ausgliederung sein. Der Weg von der Einzelunternehmung in die GmbH stellt einen in der Praxis sehr häufigen Fall der Ausgliederung dar.

Voraussetzungen für Ausgliederung eines Einzelunternehmens in eine GmbH

Voraussetzung für die Ausgliederung des Einzelunternehmens in eine GmbH ist, dass Sie als eingetragener Kaufmann (e.K.) in das Handelsregister eingetragen sind und dass Sie nicht überschuldet sind. Das regelt § 152 UmwG. Der Vorteil einer Ausgliederung ist, dass das Unternehmen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Gesellschaft übergeht. Die Vermögenswerte müssen somit nicht einzeln übertragen werden, wodurch man sich viel Aufwand ersparen kann. Denn die Einzelübertragung bedarf teilweise der Mitwirkung eines/einer Notar:in oder der Zustimmung von Gläubiger:innen.

Das gilt für die Grunderwerbsteuer bei der Übertragung von Grundstücken im Wege der Ausgliederung

Befinden sich im Betriebsvermögen des Einzelunternehmens Grundstücke oder Anteile an grundbesitzhaltenden Gesellschaften, die im Zuge der Ausgliederung auf die bereits bestehende oder neu gegründete GmbH übertragen werden, verändern sich die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück. Dieser Eigentumsübergang löst gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG Grunderwerbsteuer aus.

Grunderwerbsteuergesetz: Unter diesen Bedingungen sind Ausgliederungen steuervergünstigt

Die Steuervergünstigung des § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) soll konzerninterne Umstrukturierungen unter bestimmten Bedingungen erleichtern. Gem. § 6a Satz 1 GrEStG soll für bestimmte Rechtsvorgänge, mittels derer Grundstücke von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen werden, keine Grunderwerbsteuer erhoben werden. Dazu gehört auch die Ausgliederung (§ 6a Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG).

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vergünstigung ist, dass an dem Vorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere davon abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Eine Gesellschaft soll dann abhängig sein, wenn das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor und nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 95 Prozent ununterbrochen an diesem beteiligt ist.

Darum hatte die Klage vor dem Finanzgericht Münster Erfolg

Mit Beschluss vom 3. Mai 2022 entschied das Finanzgericht Münster gegen die derzeit geltende Verwaltungsauffassung, wonach der § 6a GrEStG auf Fälle der Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft bisher keine Anwendung finden sollte. Die Übertragungsvorgänge der Grundstücke und der Anteile an der Kapitalgesellschaft seien jeweils grunderwerbsteuerbar gewesen, es greife jedoch der Befreiungstatbestand des § 6a Satz 1 GrEStG.

Die Richter trugen vor, dass Unternehmen im Sinne des § 6a GrEStG alle Rechtsträger seien, die sich wirtschaftlich betätigen – unabhängig von der Rechtsform. Darüber hinaus sei für Zwecke der Anwendung der Vorschrift nicht Voraussetzung, dass die Beteiligung an den abhängigen Gesellschaften im Betriebsvermögen gehalten wird. Dies gelte auch bei vorliegender Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft.

Unsere Einschätzung

Der Beschluss gibt Hoffnung darauf, dass betriebswirtschaftliche Entscheidungsprozesse zur Rechtsformwahl in Einzelunternehmen künftig nicht mehr aufgrund grunderwerbsteuerlicher Regelungen behindert werden. Deshalb ist dies eine wichtige Errungenschaft für alle Steuerpflichtigen.

Das Finanzgericht Münster hat aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde gegen den Beschluss zugelassen. Nun bleibt abzuwarten, ob es bei der Entscheidung bleibt oder ob im Wege der zugelassenen Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof eine weitere und damit höchstrichterliche Instanz den Beschluss bestätigt oder aufhebt.
Dieser Beschluss bestätigt noch einmal die Meinung der bisherigen Rechtsprechung. Es bleibt zu hoffen, dass die Verwaltung ihre bisherige Auffassung verwirft und Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6a GrEStG in derartigen Ausgliederungsvorgängen einräumt.

Beschäftigen Sie sich aktuell mit den Themen Grunderwerbsteuer oder Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft?

Wir beraten Sie gerne. Kommen Sie gerne jederzeit auf uns zu!

 

Peter Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Fachberater für Immobilienbesteuerung, LL.M.

Expert:innen zu diesem Thema

Keine passenden Personen gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Die vermögensverwaltende GmbH & Co. KG als Investoren-Pooling für Start-ups - Pooling - investoren pooling scaled

    Günder:innen sammeln über die Zeit viele Investor:innen, sogenannte Business Angels, an. Das geschieht vor allem im Rahmen der Seed-Stage, also der Früh- oder Vorgründungsphase. In der Praxis kann es vorkommen, dass das Start-up von vielen kleinen Investor:innen gehalten wird. Das [...]

    Büsra Karadag

    20. Okt 2023

  • Die Gewerbesteuer: Was wäre, wenn wir sie abschaffen?

    “Was wäre, wenn …” ist unsere Serie über alternative Lösungen. Hier wird Bestehendes hinterfragt und fachlich neu gedacht. Das Ziel: Prozesse optimieren, Vorgänge verschlanken, Bürokratie abbauen.  Die Gewerbesteuer wird auf Gewinne von Unternehmen erhoben. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des [...]

    Sven Rücker

    26. Jun 2023

  • Mantel- und Vorratsgesellschaften: Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH

    Die rechtliche Behandlung von Mantel- und Vorratsgesellschaften war lange Zeit umstritten. Inzwischen ist die Mantelgründung als wirtschaftliche Neugründung anerkannt, auch eine Vorratsgründung ist zulässig. Sie wird der wirtschaftlichen Neugründung durch Mantelgründung gleichgestellt. Was das  bedeutet, erfahren Sie hier. Was ist [...]

    Maurice Kettern

    17. Apr 2023