13. Juni 2022

So funktioniert Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups

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Programme zur Mitarbeiterbeteiligung sind für Start-ups und Venture Capital-Investitionen ein wichtiges Instrument. Solche Mitarbeiterbeteiligungsprogramme spielen auch bei den Start-ups unseres Kooperationspartners xdeck, dem Kölner Start-up-Incubator, eine herausragende Rolle. 

Die xdeck-Start-ups haben uns Fragen zum Thema “Mitarbeiterbeteiligung” gestellt, die unsere Experten Büsra Karadag und Raphael Niederstraßer für sie beantworten. 

Was hat es mit Mitarbeiterbeteiligungen, dem Fondsstandortgesetz und dem § 19a Einkommensteuergesetz (EStG) auf sich?

Im Rahmen des Fondsstandortgesetzes wurde in 2021 auch der § 19a Einkommensteuergesetz (EStG) eingeführt. Damit sollen deutsche Start-ups durch steuerliche Anreize bei Mitarbeiterbeteiligungen einen leichteren Zugang zu Fachkräften bekommen. In Summe soll die Regelung die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland erhöhen.

Was regelt § 19a EStG?

Der § 19a EStG ermöglicht die Stundung von Lohnsteuer auf geldwerte Vorteile, die im Rahmen des Erwerbs von echten Geschäftsanteilen im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms durch Arbeitnehmer:innen entstehen kann.

Entspricht der Ausgabepreis nicht dem tatsächlichen Wert der Anteile, haben Arbeitnehmer:innen in Höhe der Differenz einen geldwerten Vorteil erlangt, der grundsätzlich lohnsteuerpflichtig ist.

Durch § 19a EStG kann diese Lohnsteuer gestundet werden bis die Anteile veräußert werden, längstens jedoch zwölf Jahre oder bis das Arbeitsverhältnis beendet wird.

Auf diese Weise gibt es kein “dry income“. Ein “dry income” liegt vor, wenn die Arbeitnehmer:innen im Zeitpunkt des Bezugs der Anteile bereits Steuern zahlen müssen, ohne dass ein Zufluss in Geld bestehen würde.

Unter welchen Voraussetzungen gilt § 19a EStG für Start-ups?

Er gilt unter drei Voraussetzungen:

  1. Die Start-ups wurden vor weniger als zwölf Jahren gegründet.
  2. Sie beschäftigen weniger als 250 Arbeitnehmer:innen.
  3. Sie haben entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro oder ihre Jahresbilanzsumme beläuft sich auf höchstens 43 Millionen Euro.

Was ist der Unterschied zwischen echten Geschäftsanteilen und einem Employee Stock Option Plan (ESOP) oder Virtual Stock Option Plan (VSOP)?

Bei einem echten Geschäftsanteil erwerben Mitarbeiter:innen einen tatsächlichen Anteil am Unternehmen. Gleichzeitig auch Gesellschaftsrechte. Je nach Umfang und Ausgestaltung der Stimmrechte können die Mitarbeiter:innen unter Umständen Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens nehmen. Hier hängt es vom Arbeitgebenden ab, in welchem Maße er oder sie eine Mitbestimmung durch die Belegschaft wünscht. Dies gilt auch für bei einem Employee Stock Option Plan (ESOP).

Der Unterschied ist, dass die Übertragung der Anteile und damit auch der Gesellschaftsrechte beim ESOP erst mit Ausübung der Option zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.

In allen Varianten liegt der Anreiz im Wertzuwachs des Unternehmens.
Mitarbeiter:innen mit echten Geschäftsanteilen haben auch Ansprüche auf Gewinnausschüttungen, wenn diese beschlossen werden. Bei Ausgabe der Anteile müssen Mitarbeiter:innen auch eine Gegenleistung erbringen. Es handelt sich dann um eine Kapitalbeteiligung, die die Arbeitnehmer:innen stärker an ein Unternehmen bindet als das bei ESOP- oder VSOP-Beteiligungen der Fall ist. Sie sind lediglich Optionen. Arbeitnehmer:innen müssen sie nicht ausüben.

Schließlich sind Vertragsgestaltung und -struktur, auch verbunden mit nachfolgenden Dokumentationspflichten, bei echten Geschäftsanteilen einfacher als bei ESOP- oder VSOP-Anteilen.

Und was ist der Unterschied zwischen ESOP und VSOP?

Im Rahmen eines ESOP-Programms erwerben Mitarbeiter:innen das Recht, echte Geschäftsanteile an dem Unternehmen zu erwerben. Ab dem Zeitpunkt der Ausübung der Option bis zur Veräußerung der Anteile ist er oder sie Gesellschafter:in des Unternehmens. Dabei bekommt er oder sie auch die entsprechenden Gesellschaftsrechte.

Im VSOP-Programm erhalten die Mitarbeiter:innen lediglich das Recht, virtuelle Anteile am Unternehmen zu erwerben. Zugrunde liegt lediglich eine schuldrechtliche Vereinbarung. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter:innen nicht Gesellschafter:innen werden und entsprechend auch keine Gesellschaftsrechte bekommen. Ihnen wird ein Anteil am Unternehmenserfolg, meist im Rahmen des Exit-Erlöses, vertraglich zugesichert. Dieser kommt einer Art Bonus gleich.

Beide Varianten ermöglichen der Belegschaft, an der Wertsteigerung des Unternehmens teilzuhaben. Im Gegensatz zu VSOP-Anteilen berechtigen ESOP-Anteile ab dem Zeitpunkt der Ausübung der Option zum Erhalt von Dividenden, wenn diese beschlossen werden. Aufgrund der tatsächlichen Gesellschafterstellung kann sich je nach Ausgestaltung ESOP mehr für die Bindung des Personals an das eigene Unternehmen eignen.

Für Arbeitgeber:innen ist relevant, dass für die Ausgabe von ESOP-Anteilen Kapitalerhöhungen erforderlich sind. Damit einher geht eine notarielle Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister. Dies entfällt bei VSOP-Anteilen. Aufgrund der einfacheren Handhabung sind diese Programme daher bisher beliebter.

Gibt es einen Haken am neuen § 19a EStG?

Die Anwendung des § 19a EStG ist nur jungen und kleinen Start-ups vorbehalten. Die Grenze von 250 Arbeitnehmer:innen und/oder 50 Millionen Euro Jahresumsatz beziehungsweise 43 Millionen Euro Bilanzsumme kann bei erfolgreichen Unternehmen früher erreicht werden, sodass die Vorteile nicht mehr genutzt werden können.

Weiterhin machen die Regelungen zur zwangsweisen Aufhebung der Stundung durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder den Ablauf von zwölf Jahren die Anwendung unflexibel und damit weniger attraktiv für Arbeitnehmer:innen.

Die Stundung ist lediglich dann von Vorteil, wenn es vor einem der genannten Ereignisse zu einem Exit kommen sollte und die Anteile veräußert werden können und somit Liquidität für die Steuer auf den geldwerten Vorteil zur Verfügung steht. Andernfalls ist die Anwendung aus Sicht der Arbeitnehmer:innen nur sinnvoll, wenn der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin sich verpflichtet, die Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil zu übernehmen. Die Übernahme selbst führt zu keiner weiteren Steuerpflicht. Ist dies nicht der Fall, ist auch das Problem des „dry income“ nicht gelöst.

Für Arbeitgeber:innen stellt die Vorschrift bei Anwendung ebenfalls nicht unerheblichen Mehraufwand dar. Der geldwerte Vorteil ist für alle Arbeitnehmer:innen jährlich zu bestimmen und gesondert im Lohnkonto aufzuzeichnen. Unternehmer:innen müssen auch den Wert des Unternehmens zu jedem Zeitpunkt, zu dem Arbeitnehmer:innen Anteile gewährt werden, bestimmen. Dies führt nicht nur zu einem erheblichen Aufwand, sondern vermutlich auch zu Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung.

Welche Form der Mitarbeiterbeteiligung ist für Arbeitnehmer:innen bei Start-ups die beste?

Diese Frage kann ich nicht pauschal beantworten. Je nach Ausprägung von Unternehmergeist, Identifikation und Motivation gibt es sicherlich Arbeitnehmer:innen, die Interesse an echten Geschäftsanteilen Ihrer Arbeitgeber:innen haben. Anderen wird dies weniger wichtig sein, sondern ausschließlich um die monetäre Partizipation an der Wertentwicklung des Unternehmens gehen. Das erreichen Sie mit allen drei Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligungen.

Jedoch unterscheiden sich die Programme hinsichtlich der Verwertbarkeit der entsprechenden Beteiligung am Unternehmenswert. Hier kommt es natürlich im Detail auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Im Regelfall ist eine Realisierung der Wertschöpfung aus einem VSOP an ein Ereignis wie den (Teil-)Exit geknüpft, da auch erst in diesem Fall der Gesellschaft die Mittel für die Auszahlungen der Ansprüche zur Verfügung stehen.

Heutigen Arbeitnehmer:innen ist jedoch auch die Flexibilität wichtig. Eine echte Beteiligung verbindet zwar deutlich stärker mit dem Unternehmen, kann jedoch im Zweifelsfall etwas flexibler gehandhabt werden als ESOP- oder VSOP-Optionen. Die meisten Verträge sind so gestaltet, dass die Options-Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen. Eine vorzeitige Monetisierung der ESOPs oder VSOPs ist daher normalerweise nicht möglich. Generell handelt es sich bei ESOP und VSOP um Optionen, die bei Start-ups nicht handelbar sind. Eine Ausnahme können hier Anteile aus einem ESOP, sofern diese frühzeitig abrufbar sind, und echte Geschäftsanteile sein, da diese auch vor einem Exit zum Beispiel an Kolleg:innen, Investor:innen oder die Gesellschaft selbst veräußert werden können.

Wie werden ESOP oder VSOP steuerlich behandelt?

Aus steuerlichen Gesichtspunkten gibt es kaum Unterschiede zwischen ESOP und VSOP für die Arbeitnehmer:innen im Zeitpunkt der Ausgabe der Anteile. Die Besteuerung des geldwerten Vorteils in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Unternehmensanteile und der Gegenleistung (ESOP) oder des im Rahmen des VSOP vereinbarten Bonus erfolgt jeweils erst mit Ausübung der Option und ist somit identisch. Lediglich der Zeitpunkt kann hier unterschiedlich sein.

Das VSOP-Programm ist mit der Ausübung beendet. Im ESOP-Programm jedoch halten die Arbeitnehmer:innen nun die Anteile und künftige Wertsteigerungen sind möglich. Diese sind mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent zu versteuern. Steuerlich vorteilhaft kann die direkte Ausgabe echter Anteile im Rahmen eines ESOP-Programms sein, wenn diese bereits ausreichende Zeit vor einer Veräußerung gewährt werden. Hier können die Anschaffungskosten oder der geldwerte Vorteil der Arbeitnehmer:innen noch überschaubar sein und die tatsächliche Wertschöpfung in der Wachstumsphase wird im Anschluss über die Grundsätze der Abgeltungsteuer lediglich mit 25 Prozent besteuert. Ob hieraus ein Vorteil entsteht, ist jedoch auch maßgeblich von dem persönlichen Steuersatz der Arbeitnehmer:innen abhängig.

Für echte Anteile und ESOP-Anteile besteht selbstverständlich stets auch das Risiko eines Wertverlustes. Mangels zur erbringender Gegenleistung im Rahmen eines VSOP ist dies die risikoarme Alternative.

Unsere Einschätzung

Als Gründer:in kann man sich stets die Frage stellen, ob man den Beschäftigten tatsächlich echte Geschäftsanteile und damit Gesellschaftsrechte überlassen oder ob man diese lieber (vorerst) nur am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben lassen möchte. Dies funktioniert gleichermaßen über ESOP und VSOP. Voraussetzung: Sie vereinbaren als erforderliche Bedingung für die Ausübung der jeweiligen Option einen (Teil-)Exit.

Da der steuerliche Effekt auf der Seite der Arbeitnehmer:innen im Vorfeld der Einführung sowie der Laufzeit des Programms nur schwer einschätzbar ist, ist dies wohl ein untergeordneter Punkt für die Entscheidungsfindung.

Die Frage ist, wie Sie Mitarbeiter:innen am effektivsten an das Unternehmen binden und motivieren können. Das passende Programm sollte stets danach ermittelt werden, was sich die Gründer:innen von einem solchen versprechen, wie sie sich die Zusammenarbeit mit ihren Arbeitnehmer:innen vorstellen und wünschen und wie die kurz- bis mittelfristige Strategie des Unternehmens aussieht.

Sprechen Sie uns an!

Fragen auch Sie sich, welche Art der Mitarbeiterbeteiligung für Ihr Start-up-Unternehmen am besten geeignet ist? Dann sprechen Sie uns gerne an. Mit unseren fachkundigen Kolleg:innen erarbeiten wir Ihre Wünsche und Vorstellungen und das für Sie individuell passende Programm.
Weitere Infos zum Thema Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups finden Sie im Beitrag unseres Ecovis-Experten Tim Weyers vom 4. April 2022.

 

Büsra Karadag

Associate Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht, LL.M.

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

Expert:innen zu diesem Thema

Büsra Karadag

Associate Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht, LL.M.

Christian Kappelmann

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

Thomas Budzynski

CEO, CFO, Partner, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

Tim Weyers

Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

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