1. Juni 2022

Die EU-Whistleblowing-Richtlinie – das neue Hinweisgeberschutzgesetz

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Die Europäische Union will mit ihrer “EU-Whistleblowing-Richtlinie” Personen schützen, die Missstände aufdecken. Was es mit diesem Hinweisgeberschutzgesetz auf sich hat, wie Unternehmen eine Rufschädigung vermeiden und was sie zur Umsetzung der Richtlinie wissen müssen, lesen Sie hier. 

Hintergrund zur EU-Whistleblowing-Richtlinie

Die Europäische Union hat im Jahre 2019 eine Richtlinie (nachfolgend „Whistleblowing-Richtlinie” oder “EU-Whistleblowing-Richtlinie” genannt) verabschiedet. Ziel der EU-Whistleblowing-Richtlinie: Personen schützen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Solche Menschen werden auch „Whistleblower“ genannt. Diese Meldungen können beispielsweise Wettbewerbsverstöße, Verstöße gegen den Datenschutz oder Vorschriften zum Gesundheitsschutz zum Inhalt haben. Regelmäßig wird ein Unternehmen im Wettbewerb aber nur bestehen, wenn insbesondere betriebliche Abläufe und Strategien nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

EU-Whistleblowing-Richtlinie als Folge von Facebook-Enthüllungen, Panama Papers und Luxemburg Leaks

Die jüngsten Enthüllungen der Whistleblowerin Frances Haugen haben bestätigt, was man längst vermutet hatte. Facebook (nun Meta) verdiene nach ihren Vorwürfen sein Geld mit Hass, Wut und durch Spaltung der Gesellschaft. Nach der Veröffentlichung verlor Facebook mehrere Milliarden Dollar an Börsenwert. Die Erstattung einer Strafanzeige oder sonstige Veröffentlichungen gegen Arbeitgeber:innen ( Whistleblowing) erfreut sich mittlerweile offensichtlich einer erheblichen Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Finanzskandale „Luxemburg Leaks“ und „Panama Papers“ nahmen die EU-Mitgliedstaaten zum Anlass, eine Richtlinie zum Schutz von Whistleblower:innen zu erlassen. Die Mitgliedstaaten der EU waren verpflichtet, diese Richtlinie bis Ende 2021 in nationales Recht umzusetzen. Die schwarz-rote Regierung der letzten Legislaturperiode hat allerdings kein entsprechendes nationales Gesetz verabschiedet. Aus einem im April 2022 veröffentlichten Entwurf des Bundesjustizministeriums können die wesentlichen Anforderungen an Unternehmen der EU-Whistleblower-Richtlinie aber bereits entnommen werden.

Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle

So soll es für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten verpflichtend werden, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sowie für Hinweisgeber:innen, die Bedenken haben, sich an eine interne Stelle zu wenden, plant Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die Möglichkeit, sich direkt an das Bundesamt für Justiz zu wenden.

Wie das Beispiel Facebook zeigt, sollten Arbeitgeber:innen zur Vermeidung einer Rufschädigung aber dringend verhindern, dass Hinweise an eine externe Stelle außerhalb des Unternehmens gerichtet werden. Nur durch ein funktionierendes Hinweisgebersystem ist ein Ausgleich der wechselseitigen Interessen möglich. Der Gesetzesentwurf empfiehlt daher den Unternehmen ausdrücklich, Anreize zu schaffen damit Beschäftigte bevorzugt interne Systeme für ihre Hinweise nutzen.

Beweislastumkehr für Whistleblower

Grundsätzlich müssen Whistleblower:innen aufgrund einer ordnungsgemäßen Meldung nach bestem Wissen und Gewissen künftig keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr befürchten. Der Gesetzentwurf sieht im Falle eines arbeitsgerichtlichen Prozesses die prozessuale Beweislastumkehr zugunsten der Hinweisgeber:innen vor. Das hat Folgen für den Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin: Sie müssen künftig beweisen, dass eine Kündigung in keinem Zusammenhang mit der Meldung des Hinweises durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erfolgte. Auch wenn das Hinweisgeberschutzgesetz noch nicht in Kraft getreten ist, kann die Whistleblower-Richtlinie dennoch bereits jetzt mittelbare Wirkung entfalten. Das bedeutet, auch Arbeitsgerichte sind verpflichtet, das deutsche Recht im Sinne der EU-Richtlinie auszulegen. Das kann zu Wertungskorrekturen im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung führen.

Unsere Einschätzung

Einzig ein unternehmensinternes Meldesystem, das mit den Grundsätzen des Datenschutzes in Einklang steht und Geheimhaltung garantiert, wird nicht ausreichen, um die Anforderungen der EU-Whistleblowing-Richtlinie zu erfüllen. Nur wenn Hinweisgeber:innen darauf vertrauen können, dass Unternehmen ihre Hinweise ernst nehmen, ihnen sorgfältig nachgehen und Straftaten sowie Unregelmäßigkeiten aufklären und angemessen sanktionieren, werden sie sich interner Melde-Strukturen bedienen.

Arbeitgeber:innen sollten sich daher frühzeitig überlegen, wie sie professionelle interne Strukturen schaffen können, um durch diese Angebote Meldungen an externe Stellen möglichst zu vermeiden. Empfehlenswert ist auch der Einsatz von externen Rechtsanwält:innen als Ombudspersonen, an die Arbeitnehmer:innen ihre Hinweise richten können.

Dies hätte im Falle einer – möglichen – späteren Strafverfolgung einen entscheidenden Vorteil:  Das Bundesverfassungsgericht stellt aufgrund der Vertraulichkeit des Mandates sehr hohe Anforderungen an die Durchsuchung von Rechtsanwaltskanzleien und verlangt für die Beschlagnahme bei Berufsgeheimnisträgern eine „besondere verfassungsrechtliche Rechtfertigung“ (BVerfG NJW 2018, 2385, 2386 ff Rn. 68). Diese Anforderungen gelten nicht für Unternehmen. Sollten Sie hingegen auf ein IT-gestütztes Hinweisgebersystem setzen wollen, müssen Sie bedenken, dass der Anbietermarkt derzeit noch sehr überschaubar ist. Außerdem wichtig: Mit Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes dürfte die Nachfrage sprunghaft ansteigen.

Haben Sie Fragen rund um die Themen EU-Whistleblowing-Richtlinie, Hinweisgeberschutzgesetz oder die Einführung eines unternehmensinternen Meldesystems?

Dann sprechen Sie uns jederzeit gerne an!

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