31. Mai 2022

Das prüft ein Finanzamt in NRW im Jahr 2022 besonders genau

Gibt es auch im Jahr 2022 steuerliche Themen, die ein Finanzamt in NRW besonders genau prüft? Wir haben die Antwort und alles Wissenswerte für Sie zusammengetragen.

Hintergrund zur Bearbeitung von Steuererklärungen durch Finanzämter

Aufgrund von Ressourcenmangel können die Finanzämter nicht jede Steuererklärung im Detail durch Sachbearbeiter:innen prüfen lassen. Deshalb – und wegen der fortschreitenden Digitalisierung – werden Steuerpflichtige in Risikoklassen eingestuft. Zusätzlich werden Steuererklärungen  teilweise vollelektronisch bearbeitet.

Trotz der immer weiter fortschreitenden Automatisierung der Bearbeitung von Steuererklärungen sieht die Finanzverwaltung eine persönliche Bearbeitung durch Sachbearbeiter:innen noch regelmäßig vor. Dies wird durch entsprechende Risikofilter ausgelöst, die Besonderheiten in den Steuererklärungen erkennen. Zusätzlich auch durch eigens von der Finanzverwaltung vorgegebene Prüffelder. Diese führen dazu, dass festgelegte Sachverhalte maschinell erkannt und ausgesteuert werden. Die betroffenen Steuererklärungen gehen dann an Sachbearbeiter:innen, die sie persönlich überprüfen.

Diese Prüffelder wechseln jährlich und werden von der Finanzverwaltung NRW offen kommuniziert. Im Regelfall gibt es ein zentrales Prüffeld, das für alle Finanzämter des Landes gilt, sowie dezentrale Prüffelder, welche die Finanzämter jeweils eigenständig wählen können.

Zentrales Prüffeld 2022

Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne bei Personenunternehmen, §34a EStG

Als zentrales Prüffeld, das landesweit für alle Finanzämter gilt, wurde für das Jahr 2022 die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Einkommensteuergesetz (EStG) ausgewählt. Hierbei handelt es sich um eine der kompliziertesten und Anwender-unfreundlichsten Vorschriften des EStG. Was es mit der Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne bei Personenunternehmen auf sich hat und wie diese funktioniert, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag „Reform der Thesaurierungsbegünstigung notwendig“.

Hintergrund des Prüffeldes

Aufgrund der Tatsache, dass die Thesaurierungsbegünstigung in der Praxis nur äußert selten genutzt wird, dürfte die Anzahl an Fällen überschaubar sein. Über die Intention dieses Prüffeldes lässt sich daher nur spekulieren. Da eine Reform der Vorschrift seit langer Zeit gefordert wird und die Überprüfung der Vorschrift laut Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung vorgesehen ist, kann das Prüffeld möglicherweise zu Erkenntnissen hinsichtlich einer Umsetzung einer solchen Reform beitragen.

Dezentrale Prüffelder 2022

Steuervergünstigungen für energetisches Sanieren, § 35c EStG

Wie wirkt die Steuervergünstigung
Seit dem Jahr 2020 fördert der Gesetzgeber Sanierungen von selbst genutztem Wohnraum, wenn die Baumaßnahmen gewisse energetische Voraussetzungen erfüllen. Gefördert werden

  • Wärmedämmung von Wänden, Dachflächen und Geschossdecken,
  • die Erneuerung von Fenstern, Außentüren, Lüftungsanlagen und Heizungsanlagen,
  • der Einbau digitaler Systeme zur energetischen Optimierung und
  • die Optimierung bestehender Heizungsanlagen, sofern diese älter als zwei Jahre sind.

Hinsichtlich der energetischen Anforderungen an die einzelnen Maßnahmen wurde die Rechtsverordnung Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung (ESanMV) erlassen. Voraussetzung für die Förderung ist, dass die Maßnahme durch einen Fachbetrieb durchgeführt wird und dieser die Erfüllung der energetischen Voraussetzungen mittels Bescheinigung nachweist. Über die formalen und inhaltlichen Anforderungen an diese Bescheinigungen wurde zu Klarstellung ein BMF-Schreiben erlassen (31.03.2020 – IV C 1 – S 2296-c/20/10003:001). Weiterhin muss das Objekt älter als zehn Jahre sein und im betroffenen Kalenderjahr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.

Die Förderung wirkt sich als gestaffelte Minderung der tariflichen Einkommensteuer aus. Im Jahr der Maßnahmen und im Folgejahr wird diese um jeweils sieben Prozent  der Aufwendungen (sowohl Lohn- als auch Materialkosten) gemindert, im dritten Jahr um sechs Prozent. So können in Summe 20 Prozent der Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von jeweils EUR 14.000,00 in den ersten beiden Jahren und EUR 12.000,00 im dritten Jahr gefördert werden.

Hintergrund des Prüffeldes

Die Steuerermäßigungen nach § 35c EStG werden nunmehr vermehrt Einzug in die Einkommensteuererklärungen finden. In den letzten Jahren war die Nachfrage nach Handwerkern groß und auch das Thema Energieeffizienz und nachhaltiges Bauen wird immer relevanter. Darüber hinaus ist die Praktikabilität der Vorschrift aufgrund der definierten Anforderungen in der Rechtsverordnung sowie an die Bescheinigung noch nicht erprobt. Aus einem entsprechenden Prüffeld können dahingehend Erkenntnisse abgeleitet werden. Insbesondere wird überprüft werden, ob die notwendigen Bescheinigungen den Anforderungen entsprechen.

Steuervergünstigungen für die Sanierung von Wohnraum in Baudenkmälern, §§ 7i und 10f EStG

Neben der grundsätzlichen energetischen Sanierung fördert der Gesetzgeber darüber hinaus die Sanierung von vermieteten (§ 7i EStG) und selbstgenutzten (§ 10f EStG) denkmalgeschützten Immobilien.
Die formalen und insbesondere finanziellen Verpflichtungen des Steuerpflichtigen, die mit der Erhaltung des besonderen Charakters von denkmalgeschützten Objekten einhergehen, sollen so gemindert werden.

Vermietete Objekte

Für vermietete Objekte bietet sich danach die Möglichkeit, für Anschaffungs- und Herstellungskosten von Baumaßnahmen, die entsprechend der landesrechtlichen Vorgaben der Erhaltung des Denkmalschutzes dienen, eine über die übliche lineare Abschreibung hinausgehende besondere Absetzung in Anspruch zu nehmen. Es können in den ersten 8 Jahren jeweils 9 Prozent und in den nachfolgenden 4 Jahren jeweils 7 Prozent der Aufwendungen abgeschrieben werden, mithin 100 Prozent in 12 Jahren.

Zu eigenen Wohnzwecken genutzte Objekte

Für ein ausschließlich selbstgenutztes Objekt können in den ersten 10 Jahren jeweils 9 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Sonderausgaben geltend gemacht werden, mithin in Summe 90 Prozent. Dies gilt gleichermaßen für Erhaltungsaufwendungen.

Hintergrund des Prüffeldes

Der Gesetzestext des § 7i Abs. 2 EStG, welcher auch für § 10f EStG gilt, wurde in 2020 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 geändert. Die erhöhte Absetzung kann danach nur in Anspruch genommen werden, wenn die vorzulegende Bescheinigung der zuständigen Stelle nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Bis dahin war lediglich die Bescheinigung erforderlich, welche inhaltlich de facto bindend für die Verwaltung war. Mit der neuen Formulierung behält sich die Verwaltung eine eigenständige Prüfung der Erforderlichkeit und Einordnung der Maßnahmen vor. Dies, sowie die gestiegene Nachfrage im Bausektor und damit einhergehend eine größere Anzahl zu erwartender Fälle, dürfte Grund für die Aufnahme als Prüffeld sein.

Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, § 17 EStG

Besteuerungssystematik

Veräußern Steuerpflichtige Anteile an einer Kapitalgesellschaft, sind die daraus resultierenden Gewinne grundsätzlich steuerpflichtig. Ob diese der Kapitalertragsteuer oder dem persönlichen Steuersatz unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 EStG unterliegen, hängt in erster Linie von der Höhe der Beteiligung ab.

Bei einer Beteiligung von größer einem Prozent unterliegt der Veräußerungsgewinn der Besteuerung nach § 17 EStG und somit der tariflichen Steuer unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens. Danach sind lediglich 60% des Veräußerungspreises steuerpflichtig, gleichzeitig jedoch auch nur 60% der Anschaffungskosten und der Veräußerungskosten abziehbar.

Bei einer Beteiligung kleiner ein Prozent erfolgt die Besteuerung nach § 20 Abs. 2 S.1 Nr. 1 EStG nach den Grundsätzen der Abgeltungssteuer mit dem festen Steuersatz von 25% zzgl. Solidaritätszuschlag.

Hintergrund des Prüffeldes

Bei diesem Prüffeld handelt es sich um einen Klassiker, der keinen Bezug zu aktuellen Gesetzesänderungen oder Entwicklungen hat.
Die Höhe des Gewinnes kann durch viele Ereignisse, wie Kapitalerhöhungen und –Herabsetzungen, verdeckte Einlagen oder vorherige Verkäufe, beeinflusst werden. Dies kann die zutreffende Ermittlung in der Praxis erschweren. Auch für die Fälle von Veräußerungsverlusten gelten nach § 17 EStG besondere Regelungen. Aufgrund der vielfältigen Fallstricke greift die Finanzverwaltung diese Fälle regelmäßig als Prüffeld auf, damit sie in der maschinellen Bearbeitung nicht ungeprüft bleiben. Auch entstehen in vielen Veräußerungsfällen erhebliche Steuern, die eine regelmäßige Überprüfung aus Sicht der Finanzverwaltung lohnenswert macht.

Unsere Einschätzung

Mit den am häufigsten vorkommenden dezentralen Prüffeldern decken viele Finanzämter in NRW zwei sehr aktuelle Themen und einen Evergreen ab. Insoweit überraschen diese Prüffelder nicht.

Das zentrale Prüffeld der Thesaurierungsbegünstigung ist aufgrund der geringen praktischen Relevanz für den Großteil der Steuerpflichtigen von geringer Bedeutung. Die Auswirkung auf das Steueraufkommen entsprechender Fälle dürfte hier im nachrangigen Interesse der Finanzverwaltung sein.

Aus unserer Sicht bleibt zu hoffen, dass daraus Erkenntnisse über die praktische Anwendung und erforderliche Anpassungen gewonnen werden können.

Sind Sie von einem der genannten Prüffelder betroffen? Dann unterstützen wir Sie gerne mit einer professionellen Vorbereitung und der Erstellung Ihrer Steuererklärungen.

 

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

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