19. Mai 2022

Energieversorgung bei Krisen: das sind geschützte Kunden 

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Durch den Krieg in der Ukraine haben immer mehr Unternehmen Angst um ihre Energieversorgung. Die gute Nachricht: Einige von ihnen gelten als geschützte Kunden und würden bei der Gasverteilung während einer Mangellage priorisiert. Warum das so ist, erfahren Sie hier.

Hintergrund zu geschützten und nicht geschützten Kunden

Die Sicherstellung der Gasversorgung hat für bestimmte Kund:innen einen hohen Stellenwert. Kommt es zu einer “Gasmangellage” möchte der Gesetzgeber nach klaren Kriterien entscheiden, wer weiterhin mit Gas versorgt wird und wer nicht. Darum unterscheidet er zunächst zwischen geschützten und nicht geschützten Kunden.

Haushaltskund:innen genießen den größten Schutz, wenn das Gas knapp werden sollte

Zu den Haushaltskunden zählen zum einen Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Zum anderen werden grundlegende soziale Dienste dazu gezählt. Es handelt sich zum Beispiel um Krankenhäuser, stationäre Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr. Haushaltskund:innen sind gemäß § 53a i.V.m. § 3 Nr. 22 EnWG Letztverbraucher:innen, die Energie für den Eigenverbrauch im Haushalt nutzen oder deren Jahresverbrauch für berufliche, landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke 10.000 Kilowattstunden nicht übersteigt.
Sie alle sind besonders vulnerabel was die Folgen einer Einschränkung bei der Gasversorgung betrifft. Aus diesem Grund gehören Haushaltkund:innen zu den sogenannten geschützten Kunden.

Im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind geschützte Kunden definiert

  1. Haushaltskunden sowie weitere Letztverbraucher im Erdgasverteilernetz, bei denen standardisierte Lastprofile anzuwenden sind, oder Letztverbraucher im Erdgasverteilernetz, die Haushaltskunden zum Zweck der Wärmeversorgung beliefern, und zwar zu dem Teil, der für die Wärmelieferung benötigt wird,
  2. Grundlegende soziale Dienste im Sinne des Artikels 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 im Erdgasverteilernetz und im Fernleitungsnetz,
  3. Fernwärmeanlagen, soweit die Wärme an Kunden im Sinne von Buchstabe (a) und (b) liefern, an ein Erdgasverteilernetz oder ein Fernleitungsnetz angeschlossen sind und keinen Brennstoffwechsel vornehmen können und zwar zu dem Teil, der für die Wärmelieferung benötigt wird.

Industrieunternehmen gehören zu den nicht geschützten Kunden

Während private Haushalte und systemrelevante Einrichtungen und Unternehmen bevorzugt behandelt und erst mal bei einem Gasmangel verschont bleiben, sind Industrieunternehmen mit einem hohen Gasverbrauch über 10.000 Kilowattstunden eher von Abschaltungen bedroht. Das gilt aber nicht grundsätzlich und prinzipiell. Gegenüber der Deutschen Handwerkszeitung (DHZ) sagte die Bundesnetzagentur: „Die in einer Mangellage zu treffenden Entscheidungen sind immer Einzelfallentscheidungen, weil die dann geltenden Umstände von vielen Parametern abhängen.”
Dazu gehören

  • Gasspeicherfüllmengen
  • Witterungsbedingungen
  • europäische Bedarfe
  • oder erzielte Einsparerfolge.

Darum ist es für Unternehmen auch so wichtig, dass Sie sich auf der neuen Sicherheitsplattform Gas anmelden und ihre Daten, besonders über Einsparungen, aktuell halten. Bisher können wir aus den veröffentlichten Aussagen der Bundesnetzagentur ableiten, dass es keine Liste mit Abschalte-Reihenfolgen geben soll, auch wenn Unternehmen das wiederholt öffentlich gefordert haben. Die nachvollziehbare Motivation ist Planungssicherheit. Stattdessen soll die konkrete Situation immer nach drei übergeordneten Kriterien beurteilt werden.

  1. Belange und Bedeutung der Unternehmen
  2. die netztechnische Gesamtsituation
  3. Gesamtabwägung bestehender Gasflüsse

Kriterien für Gesamtabwägung werden aktuell erarbeitet. Möglicherweise ist für eine Priorisierung ausschlaggebend, ob Unternehmen

  • auf alternative Brennstoffe umstellen können
  • ihren Verbrauch senken
  • sie systemrelevant sind.

Eine Befragung der Unternehmen läuft momentan. Die Ergebnisse werden ebenfalls auf der Sicherheitsplattform Gas gesammelt und ausgewertet.

Bundesnetzagentur veröffentlicht erste Kriterien zur Gasabschaltung

Am 17. Mai 2022 hat die Bundesnetzagentur ein Kriterienpapier veröffentlicht. Darin werden die Entscheidungskriterien konkretisiert.
Ob Unternehmen in einer Mangel oder Notlage das Gas abgedreht wird, bleibt eine Abwägungsentscheidung. Die aufgeführten sechs Kriterien werden „perspektivisch“ zugrunde gelegt.

  1. Wie dringlich ist eine Maßnahme vor dem Hintergrund einer existierenden Gasmangelsituation?
  2. Wie groß ist die Anlage und ihr Gasverbrauch?  Welche Wirkung hat eine Reduktion des Gasbezugs?
  3. Müssen Vorlaufzeiten bei einer Gasbezugsreduktion bzw. dem Herunterfahren einer Anlage beachtet werden?
  4. Sind volks- und betriebswirtschaftliche Schäden zu erwarten
  5. Welche Kosten entstehen und wie lange dauert die Wiederinbetriebnahme?
  6. Welche Bedeutung hat die Anlage für die Versorgung der Allgemeinheit?

Anlagen, die große Einsparungspotentiale bei kurzen Vorlaufzeiten haben und die Versorgung der Bevölkerung nur wenig einschränken, werden als erstes von einer Gasreduktion betroffen sein. Zur Umsetzung fehlen der Bundesnetzagentur aber noch Daten. Darum verweisen wir noch einmal auf unseren Beitrag über die Sicherheitsplattform Gas.

Unsere Einschätzung

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich der Gasmarkt fundamental verändert. Der Wandel wird substantiell und dauerhaft sein. Unternehmer:innen sollten sich sowohl mit dem Notfallplan Gas als auch mit der Sicherheitsplattform Gas beschäftigen.
Im Falle eines Gasmangels laufen dort die Daten zur Bewertung der Situation und Verteilung des Gases zusammen. Unternehmer:innen, die jetzt noch nicht unter die Kriterien einer Registrierung auf der Plattform fallen, sollten die Entwicklung im Auge behalten.

Auf unserem Blog erfahren Sie auch in Zukunft alles über Änderungen.

Bei der Registrierung und Datenanalyse helfen wir Ihnen gerne.

 

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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