9. Mai 2022

Das bedeutet der Notfallplan Gas für Unternehmen in Deutschland 

Der “Notfallplan Gas” treibt aktuell viele Unternehmen in Deutschland um. Lesen Sie in einer Reihe aus drei Beiträge, worum es dabei geht und was Sie dazu wissen müssen.

Hintergrund zum Notfallplan Gas und die Themen der Reihe

Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ist die Gasversorgung zu einem zentralen Thema für Unternehmer:innen in Deutschland geworden. Wir bereiten für Sie folgende Themen rund um die Gasversorgung auf:

  1. Der Notfallplan Gas und was er für Unternehmen bedeutet
  2. Die neue Sicherheitsplattform Gas und was Unternehmen jetzt tun sollten
  3. Das bedeuten geschützte und nicht geschützte Kund:innen für Unternehmer:innen

Die Gasversorgung ist stabil – die Situation birgt aber Risiken

Die Bundesnetzagentur gibt Entwarnung. Aktuell ist die Versorgung mit Gas gewährleistet. Die Gaszuflüsse nach Deutschland liegen auf dem üblichen Niveau. Die Füllstände der Gasspeicher zeigen Werte zum Teil weit über dem Niveau der Frühjahre 2015, 2017, 2018 und 2021. Auch die Einstellung der russischen Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien hat bisher keinen Einfluss auf die Versorgungssicherheit in Deutschland. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass Russland auch anderen EU-Ländern den Gashahn zudreht. Vielleicht auch Deutschland. Zudem will die EU möglichst schnell unabhängig von russischem Gas werden.

Frühwarnstufe des Notfallplan Gas seit Ende März ausgerufen

Für Deutschland könnte so möglicherweise eine Unterversorgung entstehen. Und zwar obwohl Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Mitarbeiter:innen schon seit Wochen an alternativen Lösungen arbeiten. Sie tun dies, indem sie Gaslieferungen aus anderen Ländern anvisieren. Immerhin liegt die Abhängigkeit Deutschlands heute noch bei 35 Prozent. Bis zum Ende des Jahres sollen es nur noch 30 Prozent sein. Ende März 2022 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Frühwarnstufe des „Notfallplans Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ ausgerufen. Für Verbraucher:innen, kann das in den weiteren Eskalationsstufen starke Auswirkungen haben. Besonders auch für große energieintensive Unternehmen.

Der Notfallplan Gas regelt die sichere Gasversorgung bei Krisen und Notfällen

Der “Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland” basiert auf der EU-Verordnung, der sogenannten europäischen SoS-Verordnung 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017. Die Verordnung regelt die Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung.
Rechtsgrundlage für die Durchführung der Krisen- und Notfallplanung in Deutschland sind neben der oben verlinkten Verordnung (EU) Nr. 2017/1938 (SoS-VO) auch diese drei Gesetze:

  • Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG)
  • Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (Gassicherungsverordnung)
  • Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975 – EnSiG)

Das regelt die Frühwarnstufe des “Notfallplan Gas”

Die Frühwarnung wird laut Notfallplan Gas ausgesprochen, wenn „konkrete, ernst zu nehmende und zuverlässige Hinweise“ vorliegen, „dass ein Ereignis eintreten kann, welches wahrscheinlich zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage sowie wahrscheinlich zur Auslösung der Alarm- bzw. der Notfallstufe führt“.
Beim Notfallplan Gas liegt eine Frühwarnstufe vor, wenn

  • an wichtigen physischen Einspeisepunkten Gasströme reduziert sind, ausbleiben oder nicht vorhanden sind
  • die Speicherfüllstände langanhaltend auf niedrigem Niveau sind
  • wichtige Aufkommensquellen ausfallen
  • wesentliche Infrastrukturen (beispielsweise Leitungen/Verdichteranlagen) länger ausfallen
  • extreme Wetterverhältnisse bestehen und die Nachfrage gleichzeitig sehr hoch ist
  • die Gefahr langfristiger Unterversorgung besteht
  • Krisenstufen in Nachbarländern ausgerufen werden

Zuständig für die Ausrufung und Feststellung der Frühwarn- und Alarmstufe ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Die Krisenstufen werden durch Presseerklärungen bekannt gegeben. Außerdem wird die EU-Kommission unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Die Europäischen Binnenmarktregeln gelten uneingeschränkt weiter. Bereits in dieser ersten Stufe tritt ein Krisenteam beim BMWK zusammen, das aus Behörden und den Energieversorgern besteht. Gasversorger und Betreiber der Gasleitungen stellen weiterhin die Versorgung mit Erdgas (gemäß § 53a EnWG) sicher und werden verpflichtet, regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einzuschätzen (Lagebericht Gasversorgung). Gashändler- und -lieferanten, sowie Fernleitungs- Verteilnetzbetreiber sind in dieser Phase dazu angehalten, durch marktbasierte Maßnahmen die Gasversorgung sicherzustellen (gemäß §§ 16 und 16a EnWG). Damit sind etwa die Nutzung von Flexibilitäten auf der Beschaffungsseite, der Rückgriff auf Gasspeicher, die Optimierung von Lastflüssen oder die Anforderung externer Regelenergie gemeint. Der Staat greift in diese Phase nicht ein.

Das regelt die Alarmstufe des Notfallplans Gas

Die Alarmstufe gilt, wenn

  • an wichtigen physischen Einspeisepunkten Gasströme reduziert sind, ausbleiben oder nicht vorhanden sind
  • die Speicherfüllstände langanhaltend auf niedrigem Niveau sind
  • wichtige Aufkommensquellen ausfallen
  • wesentliche Infrastrukturen (z.B. Leitungen/Verdichteranlagen) länger ausfallen
  • extreme Wetterverhältnisse bestehen und die Nachfrage gleichzeitig sehr hoch ist
  • hohe Anforderungen von Solidarität an Deutschland bestehen.

Ob eine Alarmstufe ausgerufen werden muss, prüft das BMWK. Die Alarmstufe wird ebenfalls durch eine Presseerklärung bekannt gegeben. Die Europäischen Binnenmarktregeln gelten uneingeschränkt weiter. Die Marktakteure wie Gasversorgungsunternehmen stellen nach wie vor die Versorgung mit Erdgas sicher. Dazu können sie auf marktbasierte Maßnahmen gemäß Punkt 7 des Notfallplans zurückgreifen. Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) und Verteilernetzbetreiber verfahren, wie in der Frühwarnstufe nach den §§ 16 und 16a EnWG . Marktgebietsverantwortliche (MGV), wie etwa Gasversorgungsunternehmen unterstützen das BMWK bei der Lagebewertung im Krisenteam. Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) geben in Abstimmung mit den MGV zeitnah (mindestens einmal am Tag) schriftliche Lageeinschätzungen an das BMWK. Auch in diese Phase greift der Staat nicht ein.

Unsere Einschätzung

Wir wissen aus eigener Erfahrung und zahlreichen Gesprächen mit unseren Mandant:innen, dass die Energieversorgungssicherheit ein wichtiges Thema ist. Dass die Bundesregierung sich um die Versorgungssicherheit kümmert, halten wir unter den gegebenen Umständen für sinnvoll und richtig.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine wird Auswirkungen auch auf Unternehmen in Deutschland haben.
In dieser Serie erfahren Sie, auf welcher Grundlage politisch agiert wird. Im nächsten Beitrag finden Sie wertvolle Informationen zur neuen Sicherheitsplattform Gas.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu.

 

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Tags

Expert:innen zu diesem Thema

Keine passenden Personen gefunden.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Biomasse, Klär- und Deponiegas ist keine erneuerbare Energie mehr

    Unsere Bauern sind derzeit präsenter denn je. Sie kämpfen zum Beispiel gegen die Streichung der Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer und den stufenweisen Abbau des sogenannten Agrar-Diesels durch das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz; das befindet sich aber noch im Gesetzgebungsverfahren. Die Ampelkoalition will [...]

    Tino Wunderlich

    05. Feb 2024

  • Kosten für Erdgas und Wärme steigen ab 2024 teils massiv

    Der Preis auf Erdgas hat sich in der Vergangenheit stetig nach oben entwickelt. Seit dem Ukraine-Krieg gab es einige Preissteigerungen. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit reagiert und Maßnahmen ergriffen. Beispiele sind die Energiepreisbremse und die Reduzierung des Umsatzsteuersatzes von [...]

    Tino Wunderlich

    16. Nov 2023

  • Die Insolvenzantragspflicht wurde als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen zu deren Eindämmung in Deutschland ausgesetzt. Nun ist eine verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise bis zum 30. April 2021 beschlossen. Wir fassen zusammen, was Unternehmen [...]

    Thilo Marenbach

    01. Feb 2021