4. Mai 2022

Bundesverfassungsgericht prüft – Abgeltungsteuer verfassungswidrig?

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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) muss sich mit der Abgeltungsteuer auseinandersetzen und prüfen, ob diese eventuell verfassungswidrig ist. Grund ist eine Beschlussvorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts. Lesen Sie hier, was eine Verfassungswidrigkeit konkret bedeuten kann.

Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge

Einkünfte aus Kapitalvermögen werden seit Anfang 2009 mit einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent besteuert (§ 32 d Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG). Hinzu kommen eventuell Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. Das gilt unabhängig vom eigenen individuellen Steuersatz.

Die Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer) ist direkt durch diejenige Stelle einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen, die die Kapitalerträge auszahlt – wie zum Beispiel Banken oder Versicherungen. Zahlt eine Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter:innen / Anteilseigner:innen eine Gewinnausschüttung / Dividende aus, muss sie darauf ebenfalls bereits Abgeltungsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen.

Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterlegen haben, müssen grundsätzlich nicht mehr im Rahmen der privaten Einkommensteuererklärung deklariert werden. Es kann aber im Einzelfall trotzdem aus steuerlicher Sicht von Vorteil sein, dass die Kapitalerträge dennoch im Rahmen der privaten Einkommensteuererklärung angegeben werden. Das gilt beispielsweise, wenn der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent liegt oder der Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801,00 Euro unterjährig nicht in voller Höhe ausgeschöpft wurde. Bei Verheirateten sind es 1.602,00 Euro.

Ziel der damaligen Einführung der Abgeltungsteuer war, das insgesamte Steueraufkommen zu erhöhen. Und zwar indem alle inländischen Kapitalerträge direkt an der Quelle einem pauschalen Steuersatz unterworfen werden. Zuvor wurden erzielte Kapitalerträge oftmals nicht im Rahmen der privaten Einkommensteuererklärung deklariert. Das hat zu hohen Steuerausfällen geführt.

Das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz

Bereits zum 31. Dezember 2015 ist jedoch das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FkAustG) in Kraft getreten. Nach dem  FkAustG gilt: Ab dem Steuerjahr 2016 sind grenzüberschreitende Informationen zwischen den jeweiligen ausländischen Behörden und dem Bundeszentralamt für Steuern vorzunehmen. Ziel: Den grenzüberschreitenden Steuerbetrug beziehungsweise die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zu mindern oder zu vermeiden.

Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes stellt sich die Frage, ob die Abgeltungsteuer überhaupt noch ihren eigentlichen Zweck erfüllt. Also den Zweck, wegen dem sie eingeführt wurde.

Bundesverfassungsgericht und die Frage, ob die Abgeltungsteuer verfassungswidrig ist – der Beschluss des FG Niedersachsen

Das Finanzgericht Niedersachsen hat am 18.03.2022 einen Vorlagebeschluss (Az. 7 K 120/21) an das Bundesverfassungsgericht zur Vereinbarkeit der Abgeltungsteuer mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) gerichtet.

Demnach soll durch das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen werden, ob die Abgeltungsteuer gemäß § 32 d Abs. 1 iVm. § 43 Abs. 5 EStG vereinbar mit den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen des Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichbehandlung aller Einkunftsarten und einer gleichmäßigen Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit) ist, wonach sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz von 25 Prozent vorsieht.

In den Augen des Senats führt die Abgeltungsteuer zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte gemäß § 32 Abs. 1 EStG iVm. § 43 Abs. 5 EStG, da das Beziehen privater Kapitalerträge einem pauschalen Sondersteuersatz von 25 Prozent unterliegt. Andere Einkünfte gemäß § 32a EStG unterliegen allerdings einer individuellen Besteuerung von bis zu 45 Prozent.

Abgeltungsteuer – laut Finanzgericht keine Rechtfertigungsgründe für gleichheitswidrige Besteuerung

Laut Senat genügen die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Weiter sei die Abgeltungsteuer nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Die Abgeltungsteuer sei auch nicht zur Standortförderung des deutschen Finanzplatzes geeignet und führe auch nicht zu einer wesentlichen Vereinfachung im Besteuerungsverfahren. Deshalb ergeben sich laut dem Senat keine Rechtfertigungsgründe für die gleichheitswidrige Besteuerung.

Unsere Einschätzung

Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht über die Beschlussvorlage des Finanzgerichts Niedersachsen entscheidet.

Von großem Interesse dürfte die Entscheidung natürlich für die Steuerpflichtigen sein, deren persönlicher Steuersatz bei weit über 25 Prozent liegt.

Falls das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass die Abgeltungsteuer nicht (mehr) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, stellt sich eine Frage: Ab welchem Zeitpunkt ist sie verfassungswidrig? Etwa beispielsweise ab dem Zeitpunkt der Einführung des Finanzkonten-Informationsaustausch-Gesetzes oder gegebenenfalls erst ab künftigen Veranlagungsjahren.

Haben Sie Fragen rund um das Thema Abgeltungsteuer?

Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

 

Stefanie Anders

Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin Gesundheitswesen (IBG/ HS Bremerhaven), Fachberaterin für Controlling und Finanzwirtschaft (DStV e.V.)

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