20. April 2022

Steigende Energiekosten: Wie deutsche Unternehmen Steuern sparen können

Bereits 2018 zahlten laut Eurostat deutsche Industrieunternehmen im EU-Vergleich den höchsten Strompreis. Für mehr als jeden dritten Betrieb waren die deutschen Energiekosten deshalb ein starkes Investitionshemmnis — ein sogar noch größeres als Unternehmenssteuern und Infrastrukturmängel. Durch den Krieg in der Ukraine und die daraus folgenden Sanktionen gegen Russland hat sich die Energiesituation in Deutschland für alle Unternehmer:innen weiter verschärft. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Unternehmen Steuern sparen können, um den Energiekosten eigenhändig entgegenzuwirken.

Direkte Zuschüsse durch neue Regierungspläne?

Um diesem Problem entgegenzuwirken, sollen Unternehmen, die von Februar bis September 2022 mit Kostensteigerungen von mehr als 100 Prozent bei Strom und Gas gegenüber 2021 kämpfen, direkte Zuschüsse erhalten können. Das sehen die neuen Regierungspläne vor, die Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Ende vergangener Woche vorstellten. Für diese Zuschüsse soll das Geld am 1. Juni 2022 zur Verfügung stehen. Zudem sollen stark betroffene Unternehmen KfW-Kredite und Bürgschaftsprogramme beantragen können.

So können Unternehmen Steuern sparen

Darüber hinaus können Unternehmer:innen die nachfolgenden Steuer-Spartipps nutzen, um eigenhändig den Folgen der hohen Energiepreise entgegenzuwirken:

Investitionsabzugbetrag für Photovoltaikanlagen auf dem betrieblichen Grundstück

Unternehmen, die ihren Gewinn mittels Bilanz oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln und deren Gewinn 200.000 Euro im Jahr 2022 nicht überschreitet, können für die künftige Anschaffung oder Herstellung von Photovoltaikanlagen bis zu 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen. Dieser Tipp gilt daher für kleine und mittelständische Unternehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Photovoltaikanlage im Jahr der Anschaffung oder Herstellung sowie dem darauffolgenden Jahr vermietet wird oder mindestens fast ausschließlich von einer inländischen Betriebsstätte betrieblich genutzt wird.

Das Unternehmen hat nach der Bildung des Investitionsabzugsbetrags vier Jahre Zeit, die Investition zu vollziehen. Im Jahr der Anschaffung oder Herstellung der Photovoltaikanlage werden wiederum bis zu 50 Prozent der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzugerechnet. Dementsprechend handelt es sich hierbei um die anteilige, zeitliche Verschiebung von Investitionskosten in das Jahr 2022.

Anschaffung einer Photovoltaikanlage und degressive Abschreibung

Unternehmer:innen können auch noch im Jahr 2022 eine Photovoltaikanlage anschaffen und dabei die Vorteile der degressiven Abschreibung in Anspruch nehmen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde vom Gesetzgeber ab dem 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 bei Anschaffung eines beweglichen Wirtschaftsguts jedem Unternehmen die degressive Abschreibung ermöglicht. Hierbei können die Unternehmen das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung (Aufteilung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer) und maximal 25 Prozent als degressive Abschreibung geltend machen.

Bei einer im Jahr 2022 angeschafften Photovoltaikanlage mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren können Unternehmer:innen daher 12,5 Prozent degressive Abschreibung als Betriebsausgaben geltend machen. Die degressive Abschreibung ist jedoch nur zeitanteilig ab dem Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt zu gewähren.

Hier ein Zahlenbeispiel zur Verdeutlichung:

Anschaffungskosten PV-Anlage in 07/2022 250.000 €
20 Jahre Nutzungsdauer, daher lineare Abschreibung i.H.v. 5 %   12.500 €
Zeitanteilig für ein halbes Jahr     6.250 €
Höhe degressive Abschreibung: Zweieinhalbfache von 5 % = 12,5 %   31.250 €
Zeitanteilig für ein halbes Jahr   15.625 €
Differenz Abschreibungsvolumen und Minderung Gewinn 2022     9.375 €

Zusätzlich zur degressiven Abschreibung kann eine Sonderabschreibung geltend gemacht werden. Dies ist der Fall, wenn das anschaffende Unternehmen die Gewinngrenze (i.S.d. § 7g Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 6 Nr. 1 EStG) i.H.v. 200.000 Euro nicht überschreitet und die Photovoltaikanlage im Jahr der Anschaffung oder Herstellung sowie dem darauffolgenden Jahr vermietet wird oder in einer inländischen Betriebsstätte mindestens fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Die Sonderabschreibung beträgt im Jahr der Anschaffung und den folgenden vier Jahren bis zu 20 Prozent. Außerdem entfällt für diese Sonderabschreibung die zeitanteilige Betrachtungsweise.

Folgend wird das vorherige Beispiel um die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung ergänzt:

Differenz Abschreibungsvolumen und Minderung Gewinn 2022
(aus vorheriger Tabelle)
  9.375 €
Sonderabschreibung bei KMU i.H.v.        20 %
Sonderabschreibung ohne zeitanteilige Betrachtungsweise  50.000 €
Differenz Abschreibungsvolumen und Minderung Gewinn 2022 insgesamt  59.375 €

Elektronutzfahrzeuge und elektrische Lastenfahrräder

Für einige Unternehmen könnte die Anschaffung elektrischer Nutzfahrzeuge oder Lastenfahrräder zur Steuerminderung eine Rolle spielen. Bei neuen Elektronutzfahrzeugen sowie elektrisch betriebenen Lastenfahrrädern kann im Jahr der Anschaffung neben der linearen Abschreibung eine Sonderabschreibung in Höhe von 50 Prozent der Anschaffungskosten in Anspruch genommen werden.

Welche Elektronutzfahrzeuge werden begünstigt?

Begünstigte Elektronutzfahrzeuge sind solche Fahrzeuge, die ausschließlich durch Elektromotoren angetrieben werden, die ganz oder überwiegend aus mechanischen oder elektrochemischen Energiespeichern angetrieben werden oder aus emissionsfrei betriebenen Energiewandlern gespeist werden. Elektrisch betriebene Lastenfahrräder fallen unter die beschriebene Begünstigung, wenn es sich um Schwerlastfahrräder handelt, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb angetrieben werden und die über ein Mindest-Transportvolumen von einem Kubikmeter sowie eine Nutzlast von mindestens 150 Kilogramm verfügen.

Sammelbeförderungen, Dienstwagen und Verfügbarkeit von Firmenfahrrädern

Unternehmer:innen können sämtlich Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind, als Betriebsausgaben geltend machen und dadurch ihr zu versteuerndes Einkommen mindern. Zu diesen Aufwendungen zählen auch Sammelbeförderungen von Arbeitnehmer:innen, die Bereitstellung von Dienstwagen sowie die Zurverfügungstellung von Firmenfahrrädern. Neben der Funktion als abziehbare Betriebsausgaben haben diese Aufwendungen aufgrund der teilweisen Steuerfreiheit oder ermäßigten Besteuerung bei Arbeitnehmer:innen zusätzlich den Vorteil der langfristigen Mitarbeiter:innenbindung. Die Ressource Mensch ist heutzutage ein wichtiges Gut, welches für den zukünftigen Erfolg jedes Unternehmens von höchster Bedeutung ist.

Bei der Bereitstellung von Dienstwagen und Firmenfahrrädern kann ebenfalls die oben genannte degressive Abschreibung bei einer Anschaffung vor dem 31. Dezember 2022 für die Unternehmer:innen als Investitionsanreiz dienen. Ob es sich hierbei um Elektrofahrzeuge bzw. -fahrräder handelt, ist auf Unternehmensseite ohne Bedeutung.

BAFA-Prämie für Elektroautos

Außerdem können Unternehmer:innen bei der Anschaffung eines E-Autos eine BAFA-Prämie von bis zu 6.000 Euro erhalten, wenn die Anschaffung bis Ende 2022 vollzogen wird (ab 2023 wird die Förderung nach derzeitigem Stand für weniger Fahrzeuge erhältlich sein und außerdem sinken). Als echter Zuschuss ist diese Prämie nicht umsatzsteuerbar, führt jedoch zu einer ertragssteuerlich steuerpflichtigen Betriebseinnahme. Um einer vollen Besteuerung in 2022 entgegenzuwirken, sollten die Unternehmer:innen das Wahlrecht der Einkommensteuerrichtlinie R 6.5 in Anspruch nehmen. Dabei können Steuerpflichtige — statt des Ansatzes als volle Betriebseinnahme — den Zuschuss von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des E-Autos abziehen und anschließend von dieser Bemessungsgrundlage die Abschreibung berechnen.

Die Unternehmer:innen dürfen dementsprechend bei Ausübung des Wahlrechts die bezuschussten Anlagegüter nur mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewerten, die sie selbst aufgewendet haben.

Verlustabzug der Jahre 2020 und 2021

Viele Unternehmen erlitten aufgrund der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 Verluste. Diese Verluste können die Unternehmer:innen gemäß § 10d EStG in die beiden vorangegangenen Jahre (Rücktrag 2020: 2018 und 2019; Rücktrag 2021: 2019 und 2020) zurücktragen — bis zu 5 Mio. Euro bei Einzelveranlagung und bis zu 10 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung. Dieser Rücktrag wird von Amts wegen ohne Antrag bis zu den Höchstbeträgen vorgenommen.

Da der Verlustvortrag vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen berücksichtigt wird, sollte der Verlustrücktrag auf Vorteilhaftigkeit für die Unternehmer:innen geprüft werden. Der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Abzug des Verlustrücktrags darf die abziehbaren Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträge nicht unterschreiten, um den abziehbaren Verlust (gegebenenfalls noch als Verlustvortrag nutzbar) nicht unnötigerweise zu minimieren. Daher kann der Verlustrücktrag auf Antrag beschränkt werden.

Um dies zu verdeutlichen, möchten wir ein einfaches Zahlenbeispiel vorstellen:

Gesamtbetrag der Einkünfte 2018 1.000.000 €
Verlust 2020 1.000.000 €
Abziehbare Sonderausgaben,
außergewöhnliche Belastungen und sonstige Abzugsbeträge

100.000 €
Grundsätzlich möglicher Verlustrücktrag 1.000.000 €
Antrag auf Begrenzung des Verlustrücktrags auf   -900.000 €
Verbleibender Gesamtbetrag der Einkünfte     100.000 €
Abzüglich abziehbarer Sonderausgaben,
außergewöhnlicher Belastungen und sonstiger Abzugsbeträge

-100.000 €
Zu versteuerndes Einkommen                0 €

Die Steuererklärungen für das Jahr 2020 sind pandemiebedingt bis zum 31. Mai 2022 beim Finanzamt einzureichen, während die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2021 erst am 28. Februar 2023 endet. Dennoch sollten bei Verlustrücktragspotenzial zur Minderung oder Erstattung von Steuerzahlungen beide Steuererklärungen bereits 2022 erstellt werden.

Unsere Einschätzung

Durch steuerliche Kniffe kann der Gewinn für das Jahr 2022 mittels verschiedener Investitionen, Investitionsplanungen und Abschreibungsmethoden deutlich verringert werden. Die Folgen dieser Gewinnminderung spüren Unternehmer:innen jedoch erst nach Ablauf des Jahres 2022, wenn die entsprechende Steuerveranlagung vom Finanzamt vollzogen wird. Eine „direkte“ Erleichterung in 2022 kann insbesondere durch einen geschickten Verlustabzug erzielt werden. Wir stehen Ihnen gerne zur Verfügung, um Ihr Unternehmen auf steuerliche Einsparmöglichkeiten zu untersuchen oder Sie weitergehend zu beraten.

Bruno Höveler

COO, CTO, Partner, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V)

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