13. April 2022

Vergleichsportale wie Verivox handeln wie Makler

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Vergleichsportale wie Verivox, auf denen Verbraucher:innen nach den besten Konditionen für Strom, Gas oder Versicherungen suchen, handeln wie Makler:innen. Damit sind sie nicht immer so unabhängig, wie viele denken. Dazu gab es jetzt ein Urteil. Erfahren Sie hier, was das für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet und was die Verbände der Finanzdienstleister:innen ihren Mitgliedern raten.

So arbeiten Online-Vergleichsportale

Bevor Sie Versicherungen und sonstige Verträge abschließen, nutzen Verbraucher:innen häufig Online-Vergleichsportale. Oft schließen sie den Vertrag dann auch gleich über Verivox, Check24 und Co. ab. Was vielen Verbraucher:innen dabei oft nicht bewusst ist: Die Portale agieren wie Versicherungsmakler:innen und der angezeigte Vergleich listet häufig nur eine eingeschränkte Anzahl an Angeboten auf. Hierzu hatte das OLG Karlsruhe eine viel beachtete Entscheidung gefällt. Das hat die Verbände der Finanzdienstleister:innen dazu veranlasst, einen Katalog an Handlungsempfehlungen herauszugeben, wie die vom Gericht entwickelten Vorgaben von Versicherungsmakler:innen umzusetzen sind.

Urteil des OLG Karlsruhe

Aus der Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urt. v. 22.09.2021; Az. 6 U 82/20) geht hervor, dass das Vergleichsportal Verivox seinen Vergleich von Privathaftpflichtversicherern in Zukunft nur noch dann anzeigen darf, wenn es ausdrücklich auf die nur eingeschränkte Zahl angebotener Versicherungen hinweist. Mit seinem Urteil hat das OLG die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Heidelberg auf die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) bestätigt.

Verivox agiere im Rahmen des Vergleichsportals nicht nur als Versicherungsvermittler, sondern auch als Makler. Entgegen § 60 Abs. 1 S. 1 VVG lege es dabei seinem Rat aber keine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherern zugrunde. Die Bestimmung der hinreichenden Zahl von Versicherungsverträgen und Versicherern richte sich danach, ob eine ausgewogene Marktuntersuchung stattfindet. Im hier entschiedenen Fall des Privathaftpflicht-Versicherungsvergleichs hatte Verivox nur die 49 Privathaftpflichtversicherer aufgeführt, mit denen es eine Provisionsabrede getroffen hat – somit nur etwas mehr als die Hälfte der 90 durch die BaFin aufgelisteten Privathaftpflichtversicherer.

Dabei blieben auch einige große Versicherer wie Allianz, HUK-Coburg, Continentale und Württembergische unberücksichtigt. Verivox sei zwar nicht verpflichtet, alle Versicherungen vollständig abzubilden, es müsse aber transparent und deutlich auf die eingeschränkte Auswahl hinweisen. Mit den derzeit unzureichenden Hinweisen handele Verivox den gesetzlichen Vorgaben des § 60 Abs. 1,2 VVG zuwider und betreibe unlauteren Wettbewerb.

Handlungsempfehlungen der Verbände

Da das Urteil sich auf die Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes stützt, hat es nicht nur für die Online-Vermittlung große Bedeutung, sondern für alle Vermittlungsvorgänge. Als Reaktion auf das Urteil des OLG Karlsruhe und die damit verbundenen Unsicherheiten haben die Verbände „AfW“ und „VOTUM“ gemeinsam die folgenden Handlungsempfehlungen für die Branche herausgegeben.

Wann berücksichtigt ein:e Makler:in eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Verträgen und wann liegt nur eine eingeschränkte Vertragsauswahl vor?

Hierzu vermochte auch das OLG Karlsruhe keine konkreten Angaben zu machen. Nach Ansicht des OLG liegt jedenfalls keine ausgewogene Marktuntersuchung vor, wenn der bzw. die Versicherungsmakler:in bei seinem bzw. ihrem Rat nicht mehr als 50 Prozent der am Markt angebotenen Versicherungsverträge beziehungsweise Versicherer berücksichtigt. Die Verbände geben unter dem Vorbehalt noch fehlender gerichtlicher Entscheidungen einen groben Wert von etwa 70 Prozent der am Markt angebotenen Versicherungsverträge an, bei dem man eine ausgewogene Marktanalyse annehmen könne. Bei Spezial- oder Nischenversicherungen könne es aber auch erforderlich sein, alle Anbieter:innen zu berücksichtigen. Die Versicherungsmakler:innen seien jedenfalls angehalten abzugleichen, in welchem Umfang ihr Angebot die am Markt angebotenen Versicherer und Versicherungsverträge berücksichtigt.

Wo und wann muss der Hinweis auf eine eingeschränkte Vertragsauswahl erteilt werden?

Die Verbände empfehlen einen gesonderten Hinweis an Kund:innen, dass eine eingeschränkte Beratungsgrundlage vorliegt. Ein Hinweis nur im Maklervertrag oder in gesonderten AGB oder der Kundenerstinformation sei nicht ausreichend. Kund:innen seien zudem die Namen aller Versicherungen zu nennen, die in den Vergleich einbezogen wurden. Idealerweise seien die Hinweise dem Kunden bei Beginn der Beratung auf einem gesonderten Dokument zu erteilen, in jedem Falle aber bevor Kund:innen eine Vertragserklärung abgeben.

In welcher Form und mit welchem Inhalt muss der Hinweis erteilt werden?

Der erste Hinweis zur eingeschränkten Beratungsgrundlage könne nach Empfehlung der Verbände lauten:

  • „Die Empfehlung beruht auf einer eingeschränkten Beratungsgrundlage. Damit wurde der Marktanalyse keine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und Versicherungen zugrunde gelegt. Sie weicht in diesem Fall vom gesetzlichen Regelfall ab.”

Der zweite Hinweis nach § 60 Abs. 2 VVG müsse in Textform erfolgen, also auf einem dauerhaften Datenträger wie beispielsweise E-Mails, Dateianhänge, Papier, USB-Sticks etc. Er müsse zum einen informieren, woher Versicherungsmakler:innen ihre Informationen zu den Versicherungsverträgen und Versicherungen haben:

  • „Die Informationen zu den von mir berücksichtigten Versicherungen und Versicherungsverträgen habe ich aus folgenden Quellen: (eigene Anbindung zu Versicherern, Maklerpool, Verbund von Maklern sowie Vergleichsprogrammen etc.)“

Zum anderen müsse er nähere Angaben zum Marktanteil der von Versicherungsmakler:innen berücksichtigten Versicherer und Versicherungsverträge enthalten.

  • “Nach meiner Recherchen haben die von mir berücksichtigten Versicherungen einen Marktanteil von x-Prozent. Diese Informationen habe ich folgenden Quellen entnommen: (…).”

Bei Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Marktanteils können laut der Verbände Poolgesellschaften und Softwareanbieter:innen möglicherweise Hilfestellung leisten. Sei Makler:innen eine entsprechende Einschätzung nicht möglich, müssen sie auch darauf hinweisen.

  • „Es ist mir nicht möglich eine Einschätzung dazu abzugeben, welchen Marktanteil die von mir untersuchten Versicherungen haben. Es gibt zu dieser Versicherung keine Statistiken oder ich habe keinen Zugang zu Statistiken, aus denen ich auch nur schätzungsweise Informationen zum Marktanteil der von mir berücksichtigten Versicherungen ableiten könnte. Es ist somit möglich, dass die von mir berücksichtigten Versicherungen nur einen geringen Marktanteil der in Deutschland angebotenen Versicherungen abdecken.“

Die namentliche Nennung der berücksichtigten Versicherer und Versicherungsverträge könne abschließend in Form einer Tabelle erfolgen.

Rechtsfolgen für Makler:innen ohne erforderlichen rechtlichen Hinweis

Bei fehlendem Hinweis trotz eingeschränkter Vertragsauswahl liegt ein Wettbewerbsverstoß vor, der kostenpflichtig abgemahnt werden kann. Kund:innen gegenüber können Makler:innen zudem auf Schadensersatz haften, soweit sich in einem Versicherungsfall herausstellt, dass eine Versicherung, die von Makler:innen nicht berücksichtigt wurde, Versicherungsschutz geboten hätte.

Können Versicherungsnehmer:innen auf einen rechtlichen Hinweis verzichten?

Eine etwaige Verzichtserklärung des bzw. der Versicherungsnehmer:in nach § 60 Abs. 3 VVG bedarf der Schriftform und muss von den Versicherungsnehmer:innen gesondert unterzeichnet werden. Ein Formulierungsbeispiel der Verbände lautet:

  • „Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Empfehlung der XY Makler GmbH zum Abschluss des (Versicherungstarifs) bei der (Versicherung) auf einer eingeschränkten Versicherer- und Vertragsauswahl beruht. Ich verzichte hiermit auf die Mitteilung, auf welcher Markt- und Informationsgrundlage die XY Makler GmbH ihre Leistung erbringt. Ich verzichte ebenfalls auf die Angabe der Namen der Versicherungsgesellschaften, die der erteilten Empfehlung zugrunde gelegt wurden.“

Unsere Einschätzung

Auf eine Revision des OLG-Urteils vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat Verivox verzichtet. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH die Anforderungen an die Maklerschaft und Online-Vermittlung noch in einem anderen Zusammenhang näher konkretisieren wird.

Die Auswirkungen auf die Außenauftritte der Makler:innen oder ganzer Vertriebsorganisationen sind bereits deutlich spürbar und nicht selten ist Unsicherheit und reiner Aktionismus unter Verweis auf das Verivox-Urteil anzutreffen. Allerdings lassen sich anhand der Urteilsbegründung durchaus auch konkrete Handlungsempfehlungen herauslesen, die eine Orientierung für den weiteren Marktauftritt bieten.

Kommen Sie bei Fragen gerne hierzu auf uns zu!

 

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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