11. April 2022

Der Digital Markets Act (DMA) der EU

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Seit der Vorstellung der Pläne im Dezember 2020 sind der Digital Markets Act (DMA – oder auch Digitale-Märkte-Gesetz oder “Gesetz über digitale Märkte”) und der Digital Services Act (DSA, auch Digitale-Dienste-Gesetz) die wichtigsten digitalpolitischen Vorhaben der EU (Europäischen Union). Lesen Sie hier, was es mit dem DMA auf sich hat und was sich dadurch künftig im Internet ändern soll. 

DSA und DMA als “Grundgesetz fürs Internet”

Manche Stellen erhoffen sich vom DSA und dem DMA nicht weniger als ein „Grundgesetz fürs Internet“. Beide Gesetze werden seit Anfang des Jahres 2022 im EU-Trilog aus Parlament, Kommission und Rat verhandelt. Während es beim DSA noch einige Streitpunkte zu geben scheint, waren die Gesetzgeber beim DMA bereits fortgeschritten. Am Donnerstag, 31. März 2022 war es dann soweit und der DMA wurde beschlossen.

Worum geht es beim Digital Markets Act (DMA)?

Auf den digitalen Märkten agieren einige große Online-Plattformen als sog. „Gatekeeper“. Allen voran die sogenannten GAFAM. Gemeint sind damit die fünf amerikanischen Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft. Diese fünf kontrollieren inzwischen nicht nur ihre Kernmärkte, sondern nutzen die Kontrolle über ihre Plattformen auch, um in immer neue Märkte vorzustoßen und so ihre eigenen Systeme aufzubauen. Problematisch: An diese Systeme sind die Nutzer:innen faktisch gefesselt. Das Gesetz über digitale Märkte soll nun sicherstellen, dass es auf diesen Plattformen fair zugeht.

Wer als „Gatekeeper“ eingestuft wird, legt das DMA durch gewisse Kriterien fest. Demnach muss ein Unternehmen zunächst eine starke wirtschaftliche Position mit erheblichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt innehaben. Außerdem muss es in mehreren EU-Ländern aktiv sein. Dieses Kriterium erfüllen alle Unternehmen, die einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro und eine Marktkapitalisierung von 75 Milliarden Euro haben. Bei der Beurteilung spielt auch die Zahl der Endnutzer:innen eine Rolle: die Schwelle liegt bei etwa 45 Millionen aktive Endnutzer:innen im Monat. Betroffen sind damit auf jeden Fall die GAFAM. Aber auch TikTok dürfte unter den DMA fallen, vielleicht auch Alibaba und Zalando.

Wichtig dabei ist: Bei der Beurteilung, ob ein Unternehmen als „Gatekeeper“ anzusehen ist, sind die Schwellenwerte nur als Indikator anzusehen. Die Kommission kann auch kleine Unternehmen als Gatekeeper einstufen, wenn sie eine oder mehrere Internetplattformen kontrollieren.

Was bedeutet das für die Gatekeeper?

Im Kern des DMA ist eine Liste mit verbotenen Geschäftspraktiken für die Gatekeeper (Artikel 5). Diese sollen mit einer klaren Aufstellung die Tech-Giganten daran hindern, unfaire Bedingungen für andere Unternehmen und Verbraucher:innen zu schaffen. Die dort festgelegten Verhaltensweisen speisen sich im Wesentlichen aus Kartellfällen der vergangenen Jahre. Weil sich die Liste auf alte Fälle bezieht, sind neue wettbewerbsverzerrende Verhaltensweisen naturgemäß nicht berücksichtigt. Die Kommission soll den Artikel aber jederzeit erweitern können.

Eine der tiefgreifenden Änderungen und Kernforderung ist die Interoperabilität. Nutzen Sie einen bestimmten Dienst und Bekannte von Ihnen einen anderen, so soll über die Grenzen der App hinaus miteinander kommuniziert werden können. Damit soll verhindert werden, dass User und Userinnen in das System eines bestimmten Konzerns eingesperrt werden.

So sollen die Anbieter das Verschicken von Textnachrichten, Bildern und Videos, aber auch Videoanrufe ermöglichen, während die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufrechterhalten wird. Details zur technischen Umsetzung sind allerdings noch nicht bekannt.

Weitere Verbote sind die Selbstbevorzugung eigener Dienste, die Fesselung an den eigenen App-Store, wie es Apple handhabt oder das Nutzen der Daten der Anbieter von Produkten, um dann mit ihnen in Konkurrenz zu treten, wie durch Amazon praktiziert.

Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass auch kleinere Unternehmen, Innovatoren und Technologie-Start-Ups, Überlebenschancen am Markt haben. Sie sollen sich im Umfeld von Online-Plattformen konkurrieren und innovativ sein können, ohne sich an unfaire Bedingungen halten zu müssen, die ihre Entwicklung bremsen.

Wie soll eine Kontrolle stattfinden?

Hierzu wird die Kommission Marktuntersuchungen durchführen. Somit kann sie

  • Unternehmen als Gatekeeper einstufen,
  • sie Anforderungen für Gatekeeper erforderlichenfalls dynamisch aktualisieren und
  • bei systematischen Verstößen gegen das DMA entsprechende Maßnahmen vorsehen.

In den Fokus rücken außerdem die „Killerakquisitionen“. Mit Killerakquisitionen verhindern Konzerne, dass ein neuer Konkurrent entsteht und kaufen sich in neue Märkte ein. Dazu kann etwa die Übernahme von WhatsApp durch Facebook oder der Kauf des Fitness-Trackers Fitbit durch Google gezählt werden. Der DMA sieht zwar kein grundsätzliches Verbot solcher Übernahmen vor, wohl aber, dass Gatekeeper Fusionen an die EU-Kommission melden müssen, damit sie oder die nationalen Behörden schnell darauf reagieren können.

Was für Strafen drohen bei einem Verstoß gegen den DMA (Digital Markets Act)?

Bei einem Verstoß kommen mehrere Sanktionen in Betracht. Zunächst kann die Kommission den Konzernen verbieten, andere Unternehmen zu kaufen. Darüber hinaus können Bußgelder in Höhe von zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden, bei Wiederholungstätern sogar bis zu 20 Prozent. Als „Ultima Ratio“ nach systematischen Verstößen wurde sogar die Zerschlagung der Konzerne als Option in den DMA aufgenommen.

Wann tritt der DMA in Kraft?

Nach der Einigung der Unterhändler:innen von Europaparlament, Ministerrat und Kommission, müssen die Mitgliedstaaten die Regeln nun noch offiziell annehmen. Das wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen, weshalb der DMA wohl Anfang 2023 in Kraft treten wird.

Unsere Einschätzung

Grundsätzlich begrüßen wir den DMA. Denn er stärkt den Wettbewerb im Internet. Private Nutzer:innen können durch den DMA auf günstigere und bessere Angebote hoffen.

Auch Geschäftskund:innen profitieren von den Neuerungen. So dürften Kommissionen von 30 Prozent, wie sie Apple für seinen App-Store erhebt, nicht mehr möglich sein. Zusätzlich erhalten jene Zugänge zu den Daten, die die Verbraucher:innen bei der Nutzung ihrer Dienste auf einer Internet-Plattform generiert haben.

Wichtig bei der Umsetzung wird sein, dass die EU über das nötige Personal, die nationale Unterstützung und notwendige Durchsetzungskraft verfügen wird. Nur so wird die Dominanz der kapitalstarken und innovationsstarken Big Player am Markt aus den USA und der EU gebrochen werden können.

Sollten Sie Fragen zum Digital Markets Act haben oder Ihr Interesse geweckt worden sein, sprechen Sie uns gerne an!
 

 

Bahar Beyaz

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Internationales Wirtschaftsrecht

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