4. April 2022

Start-Ups: Ist die steuerliche Entlastung bei Mitarbeiterbeteiligungen durch § 19a EStG gelungen und stellt die Neuregelung eine Alternative zu ESOP und VSOP dar?

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Mit dem Fondsstandortgesetz wurde im Sommer 2021 unter anderem der § 19a EStG in das Einkommensteuergesetz eingefügt, der vor allem Startups helfen soll, durch eine attraktive Mitarbeiterbeteiligung talentiertes Personal zu akquirieren. Ist die steuerliche Entlastung durch den neuen § 19a EStG gelungen? Stellt die Neuregelung eine Alternative zu ESOP und VSOP dar? In diesem Blogbeitrag beleuchten wir für Sie Sinn und Unsinn der Neuregelung. 

Förderung von Start-ups durch § 19a EStG

Startups sind häufig auf eine attraktive, aber dennoch liquiditätsschonende Vergütung in ihren Schlüsselpositionen angewiesen. Daher kommen in dem Marktsegment kommen häufig Mitarbeiterbeteiligungen zum Einsatz. Über verschiedene Möglichkeiten wie beispielsweise ESOP und VSOP hatten wir bereits hier berichtet.

Ziel des Gesetzgebers: Das Fondsstandortgesetz soll deutsche Start-ups im Werben um internationale Toptalente in Ihrer Branche stärken. Dafür wurde unter anderem mit Wirkung zum 1. Juli 2021 der steuerfreie Höchstbetrag für Mitarbeiterbeteiligungen von 360 Euro auf 1.440 Euro pro Jahr angehoben. Für Mitarbeiter:innen von Startups wurde zudem eine weitere Regelung im Einkommensteuergesetz aufgenommen. Die Übertragung von Mitarbeiterbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers kann zunächst steuerfrei erfolgen. Dadurch soll der deutsche Arbeitsmarkt attraktiver werden.

Mitarbeiterbeteiligung durch  § 19a EStG vorläufig steuerfrei

Die lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten von Mitarbeiterbeteiligungen hatten wir Ihnen hier aufgezeigt. Werden Mitarbeiter:innen vergünstigt Geschäftsanteile beziehungsweise Aktien übertragen, ist der geldwerte Vorteil grundsätzlich lohnsteuerpflichtig. Das gilt auch für handelbare Beteiligungsoptionen von ihrem Arbeitgeber.

Die Besteuerung dieses geldwerten Vorteils der Vermögensbeteiligungen kann unter den Voraussetzungen des neuen § 19a EStG auf einen späteren Zeitpunkt verlagert werden. Die Übertragung der Beteiligung auf die Mitarbeiter:innen kann dadurch zunächst steuerfrei erfolgen.

Stundungsmöglichkeit des § 19a EStG auf bestimmte Unternehmen beschränkt

Doch welche Unternehmen können von dieser neuen Stundungsmöglichkeit profitieren? Begünstigt werden sollen durch das Fondsstandortgesetz nur kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gemäß der Definition der Europäischen Kommission. Das neue Gesetz sieht demnach die Begünstigung nur für Unternehmen vor, die

  • weniger als 250 Personen beschäftigen und
  • nicht mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz erzielen oder die maximale Bilanzsumme von 43 Mio. Euro nicht überschreiten.

Außerdem darf das Unternehmen im Zeitpunkt der Beteiligung der Mitarbeiter:innen nicht älter als zwölf Jahre alt sein.

VSOP und ESOP keine begünstigten Vermögensbeteiligungen

Die Stundungsmöglichkeit besteht nur für Mitarbeiter:innen, die eine direkte gesellschaftsrechtliche Vermögensbeteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers erhalten. Sogenannte virtuelle Beteiligungen (VSOP) oder Aktienoptionen (ESOP) fallen nicht die Regelung für begünstigte Vermögensbeteiligungen. Allerdings könnte sich aus einem ESOP ein vergünstigter Bezug von Aktien ergeben. Für diesen sind die Stundungsregelung des § 19a EStG dann anwendbar.

Das Unternehmen muss die Vermögensbeteiligung außerdem zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewähren. Das bedeutet, dass Fälle der Gehaltsumwandlung nicht nach § 19a EStG begünstigt sind.

Nachgelagerte Besteuerung bei Mitarbeiterbeteiligung per Fondsstandortgesetz

Die Besteuerung wird bei den Mitarbeiter:innen des Unternehmens durch eine Stundung gemäß § 19a EStG erst nachgelagert vorgenommen. Die neue Gesetzesnorm nennt hierfür drei Realisationstatbestände:

  1. Veräußerung der Vermögensbeteiligung oder Übertragung (Einlage) in ein Betriebsvermögen
  2. Ablauf von 12 Jahren nach Übertragung der Vermögensbeteiligung
  3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das bedeutet, dass eine Versteuerung des geldwerten Vorteils spätestens nach zwölf Jahren erfolgen muss. Die Besteuerung erfolgt bereits früher, wenn ein Exit oder eine anderweitige Übertragung der Beteiligung erfolgt oder das Arbeitsverhältnis früher aufgelöst wird.

Der dann zu versteuernde geldwerte Vorteil kann begünstigt besteuert werden (Fünftelregelung nach § 34 Abs. 1 EStG). Voraussetzung: Seit der Übertragung der Mitarbeiterbeteiligung sind mindestens drei Jahre vergangen.

§ 19a EStG keine zufriedenstellende Lösung für Start-ups

Aus unserer Sicht liefert die neue Regelung des § 19a EStG keine zufriedenstellende Lösung für Startup-Unternehmen und ihre Mitarbeiter:innen. Die Höhe der „schlummernden Steuerlast“ kann bei den Miterarbeiter:innen als Damoklesschwert negative Anreizwirkungen entfalten. Verlassen incentivierte Mitarbeiter:innen das Unternehmen, löst dies sofort die volle Besteuerung eines geldwerten Vorteils aus.

Gleiches gilt nach Ablauf von zwölf Jahren: Sind die Mitarbeiter:innen weiter im Unternehmen beschäftigt, kommt es auch ohne Exit zu einer Besteuerung des geldwerten Vorteils.

Den Mitarbeiter:innen, die auf diesem Weg Beteiligungen erhalten, können nicht ohne Weiteres den Arbeitgebenden wechseln. Dies würde das Arbeitsmarktsegment bei deutschen Start-ups im Zweifel sogar unattraktiver machen.

Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre die zwingende Übernahme der Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil durch den Arbeitgeber. Der übernommene Abzugsbetrag würde durch eine Begünstigung im Rahmen des § 19a EStG nicht zu zusätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn führen.

Unsere Einschätzung

Wir begrüßen es grundsätzlich, dass der Gesetzgeber Handlungsbedarf erkannt hat und den Start-up- und Venture-Capital-Markt in Deutschland durch neue Maßnahmen fördern möchte. Besonders im Vergleich zum amerikanischen Steuer- und Gesellschaftsrecht ist Deutschland im Bereich von Mitarbeiterbeteiligungen bisher leider ziemlich unattraktiv geblieben. Aus mehreren Gründen hat sich daher bei vielen Unternehmen bislang die Gewährung von virtuellen Anteilen, die rein schuldrechtliche Ansprüche der Mitarbeiter:innen darstellen, als einfachsten „way-to-go“ etabliert.

Diese “Phantom-Beteiligungen” sind aber gerade in psychologischer Hinsicht hinsichtlich der Mitarbeitermotivation nicht so attraktiv wie echte gesellschaftsrechtlichen Beteiligung. Denn dann arbeiten Mitarbeitende am – zum kleinen Teil – „eigenen“ Unternehmen mit.

In dieser Hinsicht sollte das Fondsstandortgesetz Abhilfe schaffen und eine tatsächliche, gesellschaftsrechtliche Beteiligung von Mitarbeiter:innen steuerrechtlich erleichtern. Jedoch ist der Kreis der begünstigten Unternehmen zu eng gefasst. Startups, die vor mehr als zwölf Jahren gegründet wurden, aber noch in der Wachstumsphase stecken, fallen aus dem Anwendungsbereich der Regelung heraus. Ebenso jüngere Start-ups, die jedoch bei erfolgreichem Wachstum schnell die Mitarbeiter:innen- oder Umsatz- und Bilanzsummen-Grenzen überschreiten.

Wünschen würden wir uns zudem eine Stundungsregelung bei Entgeltumwandlung (beispielsweise von Bonuszahlungen) in Mitarbeiterbeteiligungen sowie die Begünstigung von Optionsmodellen.
Haben Sie Fragen zu Mitarbeiterbeteiligungen? Gerne unterstützen unsere ECOVIS NRW-Expert:innen Sie dabei, ein geeignetes Mitarbeiterbeteiligungsmodell für Ihr Unternehmen zu finden. Eines, dass die Interessen Ihrer Mitarbeiter:innen und Ihrer Unternehmenskultur in Einklang bringt. Dabei beachten wir alle steuer- und arbeitsrechtlichen Aspekte.

Sprechen Sie unser Team gerne jederzeit an!

 

Tim Weyers

Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

Expert:innen zu diesem Thema

Büsra Karadag

Associate Partnerin, Steuerberaterin, Fachberaterin für Internationales Steuerrecht, LL.M.

Christian Kappelmann

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

Thomas Budzynski

CEO, CFO, Partner, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht

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Prokurist, Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation)

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