10. März 2022

Neue EU-Richtlinie soll Nachhaltigkeit sichern: Das bedeutet die Lieferkettenrichtlinie für Unternehmen

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Die beschlossene EU-Richtlinie soll die Nachhaltigkeit der Wirtschaft steigern. Doch was besagt sie, für wen gilt sie und wie unterscheidet sie sich vom deutschen Lieferkettengesetz?

Bereits im Sommer 2021 hat die Große Koaltion in einem Kompromiss das deutsche Lieferkettengesetz (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz  oder LkSG) beschlossen. Jetzt hat die EU-Komission die Richtlinie zur Förderung der nachhaltigen Tätigkeiten von Unternehmen veröffentlicht. Die Richtlinie ist Teil der EU-Taxonomie und muss in nationales Recht übertragen werden. Erst dann ist sie unmittelbar wirksam. Dass die Richtlinie umgesetzt werden muss, steht fest. Wie sie umgesetzt wird, entscheiden die jeweiligen Mitgliedstaaten.

Für welche Unternehmen gilt die neue EU-Richtlinie zur Verbesserung der Nachhaltigkeit

Die EU-Kommission unterteilt in zwei Gruppen. Die erste Gruppe sind europäische Gesellschaften mit einer Haftungsbeschränkung (bspw. GmbH oder KG) mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und mehr als 150 Mio Euro Nettoumsatz. Zur zweiten Gruppe gehören auch Unternehmen aus den High-Impact-Branchen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen und mehr als 150 Mio Euro Nettoumsatz weltweit. Diese zweite Gruppe fällt aber erst zwei Jahre nach der ersten Gruppe unter die Richtlinie. Unter die EU-Lieferkettenrichtlinie fallen auch Nicht-EU-Gesellschaften, die in der EU tätig sind und hier Umsätze erzielen.

EU-Richtlinie und Lieferkettengesetz: Was sind High-impact Branchen?

High-impact-Branchen gehen auf eine Definition der EU-Kommission zurück. Es handelt sich um Branchen, deren Auswirkungen auf die ESG-Richtlinien und Taxonomieverordnung als besonders hoch erachtet werden. Dazu gehören:

  • Produktion von Textilien, Leder, Schuhen
  • Produktion von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln
  • Gewinnung und Verarbeitung von Mineralien (Öl, Gas), Metallen und Chemikalien
  • Handel mit Rohmaterial
  • Finanzbranche

Ab wann und für welche Unternehmen gilt das deutsche Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt ab 1. Januar 2023 zunächst nur für Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiter:innen. Ab dem 1. Januar 2024 gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeiter:innen.

Sind auch mittelständische- und Kleinstunternehmen durch das Lieferkettengesetz oder die EU-Richtlinie betroffen?

Bisher sind sowohl kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie Kleinstunternehmen weder vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) noch von der EU-Lieferkettenrichtlinie betroffen. Allerdings können sie im Rahmen der EU-Richtlinie als indirekt betroffene Unternehmen doch unter die EU-Richtlinie fallen.

Hier ist die EU-Lieferkettenrichtlinie strenger als das deutsche Lieferkettengesetz

Der große Vorteil der EU-Lieferkettenrichtlinie ist eine europaweit harmonisierte Regelung, die für alle gleichermaßen gilt. Sie ist eine der zahlreichen konkreten Umsetzungen des European Green Deal, der eine nachhaltige Unternehmenskultur einfordert und darum dem LKSG weit voraus ist. Denn …

  • die EU-Richtlinie gilt für alle Geschäftsbereiche und die komplette Wertschöpfungskette, während das LkSG nur für die Geschäftsbereiche und die unmittelbaren Zulieferern gilt.
  • die EU-Richtlinie sieht die ESG-Sorgfaltspflichten als integralen Bestandteil der Unternehmenspolitik an, während das deutsche Lieferkettengesetz mit einer Grundsatzerklärung zufrieden ist.
  • die EU-Richtlinie verlangt von der Unternehmensleitung bei allen Entscheidungen die Berücksichtigung von Menschenrechten, Klimawandel und ökologischen Folgen. Das deutsche Lieferkettengesetz hat dazu gar keine Regelung.
  • die EU-Richtlinie verpflichtet Unternehmen zur öffentlichen Kommunikation der wahrgenommen Sorgfaltspflichten , während das LkSG mit einer Website-Berichterstattung zufrieden ist.
  • Die EU-Lieferkettenrichtlinie sieht die Einrichtung eines Compliance-management-Systems vor. Darüber sollen Due-Diligence-Prozesse aufgebaut und überwacht werden. Das deutsche LkSG ist mit einem eingerichteten Risikomanagement zufrieden.

Lediglich ein eingerichtetes Beschwerdeverfahren sehen sowohl das LkSG als auch die EU-Lieferkettenrichtlinie vor.

So geht es mit der EU-Richtlinie zur Stärkung der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft weiter

Der vorliegende Entwurf geht nun an das EU-Parlament und den EU-Ministerrat.

Unsere Einschätzung

Zu begrüßen ist, dass es nun eine europaweit einheitliche Regelung gibt (level-playing-field). Bislang waren lediglich einzelne Länder, unter diesen auch Deutschland, mit Gesetzen vorgeprescht.

Grundsätzlich geht die Richtlinie in die richtige Richtung, weist aber die gleichen Schwächen  wie die deutsche Initiative auf. Denn die Umsetzung und Einhaltung der Regelungen lassen viel Interpretationsspielraum. Unternehmen werden mit zahlreichen Fragen zurückgelassen.

Die Unternehmen müssen selber einen Mechanismus entwickeln, wie die Vorgaben konkret umgesetzt, überwacht und beweissicher dokumentiert werden (Compliance- und Risikomanagement).

Unsere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie unsere Wirtschaftsprüfer:innen stehen Ihnen bei der Implementierung zur Seite. Unser interdisziplinärer Ansatz aus juristischem Sachverstand und der Expertise im Bereich der Prüfung von Compliance- und Risikomanagement-Systemen berücksichtigt dabei die Anforderungen der unternehmerischen Praxis und stellt gleichzeitig sicher, dass Sie Haftungsrisiken vermeiden.

 

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Expert:innen zu diesem Thema

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

Tino Wunderlich

Associate Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater, Bereich Energiesteuern

Wilhelm Kollenbroich

Partner, Steuerberater, Zertifizierter Stiftungsberater und –manager (FS), Diplom-Kaufmann (FH)

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