23. Februar 2022

Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführer und Geschäftsführerin

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Für Arbeitnehmer:innen gilt in Deutschland Sozialversicherungspflicht. Das bedeutet, dass Arbeitgeber:innen für ihre sozialversicherungspflichtig beschäftigten Angestellten Versicherungsbeiträge zahlen müssen. Da stellt sich die Frage: Gilt die Sozialversicherungspflicht auch für den geschäftsführenden Gesellschafter oder die geschäftsführende Gesellschafterin? Lesen Sie hier alles Wichtige dazu.

Zur Frage, ob für geschäftsführende Gesellschafter:innen eine Sozialversicherungspflicht besteht, hat das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Fällen verhandelt. Das Ergebnis ist: Geschäftsführer:innen sind in vielen Fällen sozialversicherungspflichtig.

Selbstständig tätig vs. abhängig beschäftigt

Ob und wann eine Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer:innen gilt, hängt maßgeblich von der Frage ab, ob sie abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Kann die Tätigkeit von Geschäftsführ:innen als selbstständig bewertet werden, ist er oder sie nicht sozialversicherungspflichtig. Das bedeutet, er oder sie hat keine Versicherungsbeiträge abzuführen. Ob es sich um eine selbstständige oder abhängige Tätigkeit handelt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.

Geschäftsführer:innen  einer GmbH wird in aller Regel auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags tätig. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen wird man einen GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer einordnen können. In zahlreichen Fällen kann die Weisungsgebundenheit und Abhängigkeit eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin jedoch der von Arbeitnehmer:innen gleichstehen. Wer beispielsweise ausschließlich Fremdgeschäftsführer:in ist, also Geschäftsführer:in, der oder die nicht als Gesellschafter:in beteiligt ist, ist von den Weisungen der Gesellschaft abhängig und demnach regelmäßig sozialversicherungspflichtig.

Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers: Statusanfrage bei der Deutschen Rentenversicherung

Neben den Fremdgeschäftsführer:innen gibt es immer wieder Fälle, die Anlass zur Diskussion geben. Bei Unsicherheit, ob eine Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer:innen gilt, kann eine Statusanfrage bei der Deutschen Rentenversicherung erfolgen.

Ein entsprechender Antrag eines Gesellschafter-Geschäftsführers bei der Deutschen Rentenversicherung ging in einem der Fälle, die das BSG zu verhandeln hatte, negativ aus. Nach dem BSG sei für die selbstständige Tätigkeit eines Geschäftsführers maßgeblich, ob dieser aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Rechtsmacht besitze, einen maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterbeschlüsse zu nehmen und dadurch die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitbestimmen kann. Im vorliegenden Fall war der Kläger jedoch lediglich mit 49 Prozent am Kapital der Gesellschaft beteiligt. Der dortigen Auffassung des Deutschen Rentenversicherers schloss sich das BSG an.

Umfassende Sperrminorität kann Sozialversicherungspflicht ausschließen

Eine die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende und eine Sozialversicherungspflicht ausschließende Sperrminorität räume ihm der Gesellschaftsvertrag hier nicht ein, so das Gericht. Eine Sperrminorität kann eine Sozialversicherungsfreiheit von Geschäftsführer:innen nur dann begründen, wenn sie eine selbstständige und beherrschende Stellung einnimmt. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn Geschäftsführer:innen als Gesellschafter:innen mehr als 50 Prozent der Gesellschaftsanteile besitzen.

Die Weisungsunabhängigkeit aufgrund der Kapitalbeteiligung ist also das wichtigste Kriterium zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht. Unter Umständen kann aber auch schon eine geringere Kapitalbeteiligung ausreichen. Beispielsweise dann, wenn Gesellschafter:innen über eine im Vertrag festgeschriebene, von den Beteiligungsverhältnissen unabhängige, die sich darauf erstreckt, ihm oder ihr nicht genehme Weisungen zu verhindern.Eine solche Sperrminorität wird umfassende Sperrminorität genannt.

Weitere Fälle: Vereinbarung über das Gehalt und Ausgestaltungen bei familiären Beziehungen

Gewichtiges gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechendes Indiz war für das BSG außerdem, dass der in Rede stehende Geschäftsführer kein wesentliches Unternehmerrisiko trage. Denn er setze seine Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein, sondern erhalte eine monatlich gleichbleibende Vergütung.
Auch interessant ist, dass nach neuerer Rechtsprechung des BSG Geschäftsführer:innen, die aufgrund einer engen familiären Beziehung zu den Gesellschaftern oder aufgrund eines Übermaßes an Fachkenntnissen faktisch wie Alleininhaber:innen handeln, dennoch sozialversicherungspflichtig sind. Das BSG hat diesbezüglich seine bisherige „Herz und Seele“-Rechtsprechung verworfen.

Unsere Einschätzung

Ob die genannten Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit vorliegen, kann naturgemäß im Einzelfall sehr streitig sein. Eine pauschale Antwort ist hier schwer.

Den Status hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin sollten Sie jedenfalls frühestmöglich feststellen. Dies nicht zuletzt aus dem Grund, dass empfindliche Strafen drohen, wenn Geschäftsführer:innen ihrer Sozialversicherungspflicht nicht nachkommen.

Es ist daher empfehlenswert, durch das Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund verbindlich klären zu lassen, ob eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit eines Geschäftsführers oder einer Geschäftsführerin vorliegt.
Um Statusstreitigkeiten vorzubeugen, raten wir außerdem dazu, eine detaillierte Ausgestaltung der entsprechenden Gründungsverträge vorzunehmen. Schließlich raten wir bei jeder Änderung der Verhältnisse im Unternehmen dazu, eine erneute Prüfung vorzunehmen.

Haben Sie Fragen zur Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

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