16. Februar 2022

Dienstliche E-Mail an Dritte weiterleiten als außerordentlicher Kündigungsgrund

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Wer eine offensichtlich an andere Adressat:innen gerichtete, dienstliche E-Mail liest, kopiert und sie samt Anhang an Dritte weiterleitet, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. So hat es das Landes­arbeitsgericht Köln am 2. November 2021 entschieden. 

Mitarbeiterin las fremde dienstliche E-Mail und leitete sie weiter

Die Klägerin war seit 23 Jahren als Verwaltungsmitarbeiterin bei der Beklagten, einer evangelischen Kirchengemeinde, tätig. Als Buchhalterin hatte sie Zugriff auf den E-Mail-Account des Pastors. Dort las sie eine E-Mail, in der sie von einem gegen den Pastor gerichtetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Missbrauch erfuhr. Im Anhang dieser E-Mail fand sie einen privaten Chatverlauf zwischen dem Pastor und einer im Kirchenasyl der Gemeinde lebenden Frau. Sie leitete die E-Mail an ihren Ehemann weiter und sicherte den Anhang extern auf einem USB-Stick. Eine Woche später übergab die Klägerin einen Ausdruck der E-Mail als auch die auf dem USB-Stick gespeicherte Datei anonym an eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Kirchengemeinde. Als die Beklagte von den Vorkommnissen erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos.

Fristlose Kündigung nach weiterleiten einer dienstlichen E-Mail

Das Arbeitsgericht Aachen gab der Kündigungsschutzklage zunächst statt. Es sah in dem Verhalten der Klägerin zwar einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung, hielt diese aber aufgrund des langjährigen und bisher unbelastet verlaufenen Arbeitsverhältnisses sowie mangels Wiederholungsgefahr für unverhältnismäßig. Die Kirchengemeinde legte Berufung ein und hatte damit Erfolg.

Zerstörtes Vertrauensverhältnis

Das Landesarbeitsgericht sah in der unbefugten Kenntnisnahme und Weitergabe fremder Daten einen schwerwiegenden Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Gebot der Rücksichtnahme. Auch wenn die Klägerin berechtigterweise Zugriff auf das E-Mail-Konto des Pastors hatte, stellt das unbefugte Lesen von privaten E-Mails einen erheblichen Eingriff in das Datengeheimnis dar. In der Folge ist das zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber bestehende – und notwendige – Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört. Denn: Das arbeitsvertraglich vereinbarte Zugriffsrecht der Klägerin auf den E-Mail Account des Pastors beschränkte sich auf E-Mails, die im Zusammenhang mit dem ihr übertragenen Aufgabengebiet stehen.

Die Klägerin war somit nicht berechtigt, die privaten E-Mails des Pastors zu öffnen. Diese haben keinen Bezug zu ihrer Tätigkeit als Verwaltungsmitarbeitern. Sie unterliegen daher dem persönlichen Geheimbereich, der eigens durch die Schaffung des Artikel 10 des Grundgesetzes (Post- und Fernmeldegeheimnis) und § 202a des Strafgesetzbuches (Ausspähen von Daten) eine besondere Schutzwürdigkeit erfahren hat. Da sich die Klägerin bewusst darüber hinweg setzte, wiegt die Pflichtverletzung besonders schwer. Im Falle einer Weiterbeschäftigung müsste die Beklagte die erneute Weitergabe sensibler Informationen an Dritte befürchten.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als dass die Klägerin arbeitsbedingt Zugang zu vertraulichen Daten hat. Das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu beenden überwiegt nach Ansicht des Gerichts daher das Beschäftigungsinteresse der Klägerin.

Unsere Einschätzung

Unabhängig davon, was die Klägerin erreichen wollte stimmen wir der Entscheidung zu. Zum Hintergrund: Sie hatte vor Gericht ausgesagt, die im Kirchenasyl lebende Frau schützen und Beweise sichern zu wollen.

Die Weitergabe von zu Unrecht erlangten Daten durch Arbeitnehmer:innen kann – wenn überhaupt – nur in wenigen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. Hierzu besteht bislang jedoch keine einheitliche Rechtsprechung. Arbeitgeber:innen sollten trotzdem bei einer im Vertrauensbereich angesiedelten Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten zunächst eine Abfindung als milderes Mittel gegenüber einer fristlosen Kündigung prüfen. Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann geboten, wenn es um steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin geht, das Arbeitsverhältnis bislang unbelastet war und keine klare Negativprognose für das weitere Arbeitsverhältnis vorliegt. In vielen Fällen ist eine Abmahnung mit der damit verbundenen Warnfunktion ausreichend, damit sich der Arbeitnehmer zukünftig vertragskonform verhält.

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