11. Februar 2022

Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge

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Das Finanzgericht Münster hält die Höhe der Säumniszuschläge für verfassungswidrig. Alle Infos im Überblick.

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass aufgrund bereits ergangener Rechtsprechung auch die Höhe des Säumniszuschlags als verfassungswidrig einzustufen ist. Die Entscheidung hat das Finanzgericht Münster mit Beschluss vom 16. Dezember 2021 (Az. 12 V 2684/21 AO) getroffen.

Was hat das Finanzgericht Münster zur Höhe des Säumniszuschlags entschieden?

Der zwölfte Senat des Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass die Vollziehung von Säumniszuschlägen durch Abrechnungsbescheid vollumfänglich auszusetzen ist.

Hintergrund der Entscheidung war ein beim Finanzgericht gestellter Aussetzungsantrag, der sich auf einen Abrechnungsbescheid über angefallene Säumniszuschläge zur nicht gezahlten Grunderwerbsteuer 2019 bezieht. Nach erfolglosem Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid und die Ablehnung der Vollziehungsaussetzung wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht Münster.

Wie begründet das Finanzgericht Münster die Entscheidung?

Die Richter:innen begründeten ihre Entscheidung mit vorheriger Rechtsprechung. Sie beriefen sich einerseits auf das erst kürzlich getroffene Urteil des BVerfG vom 8. Juli 2021 zur verfassungswidrigen Verzinsung von Steuernachforderungen und –erstattungen sowie auch weitere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs.

Eine Vollziehungsaussetzung ist dann zu gewähren, wenn die Rechtslage, wie im vorliegenden Fall, nicht eindeutig ist und ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen.

Aufgrund dessen hat sich das Finanzgericht Münster den Ansichten des Bundesfinanzhofs angeschlossen. Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Säumniszuschlags bestehen dann, wenn dem Säumniszuschlag keine Funktion als Druckmittel mehr zukommt. Dieser ist dann als Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern anzusehen und weist mithin einen zinsähnlichen Charakter auf. Problematisch war die nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 31. August 2021 (Az. VII B 69/21). Hier wurde lediglich entschieden, dass die Vollziehung der hälftigen Säumniszuschläge auszusetzen ist. Die Hälfte der Säumniszuschläge stellte in diesem Streitfall den Zinsanteil dar und somit war der Aussetzungsantrag auf diesen Teil beschränkt worden.

Letztendlich sind die Richter:innen zu der Entscheidung gekommen, dass es keine Teil-Verfassungswidrigkeit geben kann. Eine gesetzliche Regelung kann nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein. Somit war die Vollziehung der Säumniszuschläge im aktuellen Streitfall zur Grunderwerbsteuer 2019 in voller Höhe auszusetzen.

Funktionen der Säumniszuschläge

Grundsätzlich sollen die Säumniszuschläge zwei Funktionen erfüllen.

Einerseits sollen sie als Druckmittel eigener Art der Finanzverwaltung dienen und Steuerschuldner:innen dazu anhalten, fällige Steueransprüche rechtzeitig zu zahlen.

Andererseits sollen sie auch ein Ausgleich für die verspätete Zahlung sein und erfüllen somit eine Zinsfunktion.

Liegt bei der Steuerschuldnerin oder dem Steuerschuldner beispielsweise Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, würden die Säumniszuschläge ihre Funktion als Druckmittel verlieren. Die dann verbleibende Zinsfunktion gestaltet sich dahingehend problematisch, als dass das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich die Verzinsung von Steuernachforderungen und –erstattungen in Höhe von 6% p.a. als verfassungswidrig eingestuft hat.

Wann entstehen Säumniszuschläge?

Säumniszuschläge entstehen dann, wenn eine Steuer oder eine zurückzuzahlende Steuervergütung nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet wird. Die Zahlungsschonfrist von drei Tagen ist stets zu beachten, innerhalb derer Säumniszuschläge nicht entstehen.

Sie können erst dann entstehen, wenn die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist.

Säumniszuschläge werden nicht auf steuerliche Nebenleistungen erhoben.

Wie werden Säumniszuschläge erhoben?

Sollte eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet werden, so entsteht für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag. Die Säumnis beginnt mit Ablauf des Fälligkeitstags.

Die Höhe beläuft sich auf 1 % des rückständigen Steuerbetrags. Dieser ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abzurunden.

Wie werden die Säumniszuschläge festgesetzt?

Die Besonderheit gegenüber anderen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist, dass entstandene Säumniszuschläge nicht durch einen besonderen Bescheid festgesetzt werden müssen. Säumniszuschläge werden ohne Festsetzung erhoben, wenn der gesetzliche Tatbestand dafür verwirklicht wurde. Sie werden sogleich durch Zahlungsaufforderung erhoben.

So wehren Sie sich gegen die Festsetzung von Säumniszuschlägen

Die Säumniszuschläge werden in der Regel nicht durch einen besonderen Bescheid festgesetzt, sodass sich der Rechtsschutz an dieser Stelle schwieriger gestaltet. Mangels Bescheid ist die Einlegung eines Einspruchs nicht möglich.

Sie als Steuerschulder:in können an dieser Stelle einerseits einen schriftlichen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids bei der zuständigen Finanzverwaltung stellen. Dies hat zur Folge, dass der Abrechnungsbescheid mittels Einspruch angefochten und zeitgleich Aussetzung der Vollziehung beantragt werden kann. Sollte die Finanzverwaltung den Einspruch zurückweisen, ist die Anfechtungsklage beim Finanzgericht und gegebenenfalls Revision beim Bundesfinanzhof zulässig.

In diesem Zuge kann das Ruhen des Einspruchsverfahrens beantragt werden. Hier ist ein Verweis auf das anhängige BFH-Verfahren zur Höhe der Säumniszuschläge ratsam (Zulassung der Revision durch den BFH vom 14. April 2020, Az. VII B 53/19). Die Entscheidung, ob die Verfassungswidrigkeit festzusetzender Zinsen auch auf die Höhe der Säumniszuschläge übertragbar ist, ist aktuell noch ausstehend und kann als Begründung dienen.

Andererseits kommt auch ein Antrag auf Billigkeitserlass infrage. Sollte dieser Antrag abgelehnt werden, kann auch hier Einspruch eingelegt werden und später gegebenenfalls Klage erhoben werden. Diese Variante birgt allerdings einen Nachteil, da die Gewährung des Billigkeitserlasses im Ermessen der Finanzverwaltung liegt.

Unsere Einschätzung

Ausgehend von dem erst kürzlich getroffenen Urteil des BVerfG vom 8. Juli 2021 zur verfassungswidrigen Verzinsung von Steuernachforderungen und–erstattungen war ein solche Entscheidung des Finanzgerichts Münster absehbar.

Nun bleibt es abzuwarten, wie über die gesetzlich festgelegte Höhe der Säumniszuschläge in Zukunft höchstrichterlich entschieden und wie mit der zugelassenen Beschwerde beim Bundesfinanzhof umgegangen wird. Es ist zu klären, ob sich eine etwaige Verfassungswidrigkeit insgesamt auf die volle Höhe der entstandenen Säumniszuschläge auswirkt oder nur auf den Teil beschränkt, der einen Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern beinhaltet und somit einer zinsähnlichen Funktion zukommt. Gerne beraten wir Sie und prüfen, ob eine Anfechtung der festgesetzten Säumniszuschläge in Ihrem konkreten Fall möglich ist.

Über sämtliche Neuigkeiten werden wir Sie in unseren künftigen Blogbeiträgen auf dem Laufenden halten.

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