9. Februar 2022

Das neue Kaufrecht und die Auswirkungen auf den Online-Handel

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Zum Jahresbeginn 2022 gab es die größte Reform des Kaufrechts seit 20 Jahren. Intention des Gesetzgebers war vor allem die Anpassung des Zivilrechts an die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Das gilt insbesondere für die Neuerungen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Die aktuelle Reform umfasst in Bezug auf das Kaufrecht nun sämtliche Inhalte, Dienste und Waren mit digitalen Elementen. Als Online-Händler:in erfahren Sie hier, auf welche Änderungen Sie sich nun einstellen müssen.

Neue Vertragsart: Verbrauchervertrag über digitale Produkte

Die Novelle beinhaltet eine neue Vertragsart: den sogenannten Verbrauchervertrag über digitale Produkte. Damit wird die „Digitalisierung“ des BGB endgültig besiegelt. Denn dadurch entsteht ein spezielles Kaufrecht für digitale Produkte. Das gilt für:

  • Software
  • Webanwendungen
  • E-Books
  • Streaming-Dienste
  • App-Käufe

Darüber hinaus gelten besondere Gewährleistungsrechte für Digitalprodukte. Die wichtigsten Änderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Verplichtung der Online-Händler:innen zur Erbringung einer mangelfreien Leistung
  • Anspruch von Verbraucher:innen auf Nacherfüllung in Form von Nachbesserung oder nochmaliger Bereitstellung des digitalen Produkts bei Mängeln
  • Recht von Verbraucher:innen auf Minderung und Vertragsbeendigung bei Mängeln
  • Gewährleistungsfrist gilt für mindestens zwei Jahre
  • Update-Pflicht

Aktualisierungspflicht

Für rein digitale Produkte sowie Produkte, die lediglich digitale Elemente beinhalten, besteht eine sogenannte Update-Pflicht. Unternehmer:innen sind nun dazu verpflichtet, regelmäßig Aktualisierungen bereitzustellen. Andernfalls stellt dies einen Sachmangel dar. Die Anforderungen an die Mangelfreiheit sind erfüllt, wenn Verkäufer:innen innerhalb der gewöhnlichen Nutzungsdauer des digitalen Produkts der Update- sowie Informationspflicht gegenüber Verbraucher:innen nachkommen. Damit sollen nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere die Funktionsfähigkeit sowie (IT-)Sicherheit des Produkts gewährleistet werden. Upgrades – also die Änderung des Produkts auf eine höherwertige Konfiguration oder Version – müssen Verkäufer:innen nicht zur Verfügung stellen.

Die Änderungen bringen allerdings auch einige Unsicherheiten mit sich. So bleibt der Gesetzgeber etwa mit der Dauer der Update-Pflicht vage. Diese sollen sich grundsätzlich nach den Erwartungen der Verbraucher richten. Als Anhaltspunkte hierfür können insbesondere dienen:

  • Werbeversprechen
  • Analyse der üblichen Verwendungsdauer
  • Marktanalyse

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass in den meisten Fällen Verkäufer:innen und Hersteller:innen eines Produkts nicht identisch sind. Damit Verkaufende allerdings ihrer Pflicht zur Aktualisierung nachkommen können, sind sie zwingend zur Kooperation mit Herstellern angewiesen. Aus diesem Grund sollten beide Seiten dringend ihre Verträge auf diesen Punkt überprüfen und gegebenenfalls modifizieren, um rechtliche Unstimmigkeiten zu vermeiden. Das gilt besonders für Haftungsfragen.

Neuer Sachmangelbegriff

Ein Schwerpunkt der Reform stellt außerdem der neue Sachmangelbegriff dar. Er gilt für alle Unternehmer:innen und ist sowohl für den Online- wie den Offline-Handel von großer Bedeutung. Anders als bisher reicht es für die Mangelfreiheit der Kaufsache nicht mehr aus, wenn sie lediglich der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Frei von Sachmängeln ist eine Kaufsache in Zukunft, nur, wenn sie bei Gefahrübergang den

  • subjektiven Anforderungen,
  • objektiven (branchenüblichen) Anforderungen und
  • Montageanforderungen entspricht.

Um die subjektiven und objektiven Anforderungen einzuhalten müssen Verkäufer:innen gewährleisten, dass ihre Kaufsache in Bezug auf Quantität, Qualität und sonstiger Merkmale folgende Eigenschaften aufweist:

  • die Sache ist für gewöhnliche Verwendung geeignet
  • die Sache ist so beschaffen wie Kaufsachen derselben Art
  • Beschaffenheit ist so, wie es Käufer oder Käuferin erwarten können
  • Ware muss verpackt, mit Zubehör und Anleitungen übergeben werden

Verkäufer:innen sollten daher regelmäßig überprüfen, ob ihre Waren noch der „üblichen“ Beschaffenheit entsprechen. Hauptaugenmerk sollte hierbei auf die

  • Sicherheit,
  • Kompatibilität,
  • Funktionalität und
  • Haltbarkeit des Produkts gelegt werden.

Änderungen im Verbrauchsgüterkauf

Bei Geschäften mit Verbraucherinnen und Verbrauchern wurde das Gewährleistungsrecht verschärft. Und zwar dahingehend, dass hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatz und Rücktritt das Erfordernis der Fristsetzung zur Nacherfüllung für Verbraucher:innen entfällt. Sie werden auch durch die Verlängerung der Beweislastumkehr gestärkt. Denn tritt innerhalb eines Jahres ab Übergabe der Sache ein Mangel auf, wird zugunsten der Verbraucher:innen vermutet, dass dieser von Anfang an vorlag. Vor der Reform waren dies nur sechs Monate. Zusätzlich ändern sich die Verjährungsfristen. Bei einem Mangel, der sich innerhalb der regulären Gewährleistungsfrist gezeigt hat, tritt die Verjährung erst vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.

Vorsicht bei B-Ware und gebrauchten Artikeln

Für Händler:innen, die B-Ware, Ausstellungsstücke, gebrauchte Ware oder Vorführgeräte verkaufen, bringt der neue Sachmangelbegriff eine gravierende Veränderung mit sich. Denn es genügt nicht mehr, dass die negative Beschaffenheit (beispielsweise eine Beschädigung) vereinbart wird, indem diese durch eine Ausschilderung oder in der Produktbeschreibung kenntlich gemacht wird. Verkäufer:innen müssen nunmehr Verbraucherinnen und Verbrauchern individuell über den preismindernden Makel oder Umstand informieren. Die Abweichung müssen die Vertragsparteien darüber hinaus gesondert und ausdrücklich vereinbaren. Die bloße Regelung in AGB reicht hierzu nicht aus. Gleiches gilt für Online-Händler:innen. Ein vorangekreuztes und deaktivierbares Kästchen genügt den Anforderungen ebenfalls nicht.

Unsere To-Do-Liste für Sie

  1. Klärung der üblichen Nutzungsdauer der Produkte
  2. Kalkulation von zusätzliche Kosten für Updates
  3. Kontaktaufnahme mit den Herstellern und gegebenenfalls Modifizierung der Verträge (Update-Pflicht)
  4. Erstellen einer Update-Planung und eines Aufklärungskonzeptes für Verbraucher:innen (Informationspflicht)
  5. Anpassung des Sachmangelbegriffs in den Verträgen
  6. AGB an die BGB-Reform anpassen
  7. Anpassung des Gewährleistungsmanagements and die rechtlichen Veränderungen

Unsere Einschätzung

Vor dem Hintergrund des wachsenden E-Commerce Anteils, ist die wichtigste Neuerung der Kaufrechtsreform die Schaffung des „digitalen Kaufrechts“ sowie die Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Online-Händler:innen sind gut geraten, ihre Verträge, Angebote und AGBs an die Anforderungen anzupassen.
Wer die neuen Gewährleistungsrechte missachtet, muss mit Abmahnungen von Wettbewerber:innen und Klagen von Verbraucherschutzverbänden rechnen.

Sprechen Sie uns jederzeit gerne an, wenn Sie Fragen zu E-Commerce und Online-Handel oder dem neue Kaufrecht haben.

Einen weiteren Beitrag unserer Beitragsreihe “E-Commerce” zur Novelle des Verpackungsgesetzes finden Sie hier.

Bahar Beyaz

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Internationales Wirtschaftsrecht

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