25. Januar 2022

Reform der Thesaurierungsbegünstigung für Einzelunternehmen und Personengesellschaften

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Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung sieht eine Überprüfung der Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen vor. Was Sie hierzu wissen sollten, erfahren Sie hier.

Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a Einkommensteuergesetz (EStG) existiert in seiner derzeitigen Form bereits seit ihrer Einführung im Jahr 2008. Seitdem wird sie aufgrund ihrer Komplexität und faktischen Nicht-Anwendbarkeit für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) kritisiert. Änderungen gab es seither leider nicht. Die sind vor vor dem Hintergrund der weiterhin belastenden Corona-Situation dringender denn je.

Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen werden sehr unterschiedlich besteuert

Aufgrund der abweichenden Besteuerungssystematiken von Trennungsprinzip für Kapitalgesellschaften auf der einen und Transparenzprinzip für Personenunternehmen (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) auf der anderen Seite, ergeben sich teils gravierende Unterschiede in der Besteuerung der verschiedenen Rechtsformen.

Kapitalgesellschaften unterliegen im Regelfall der Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer. Die Steuerbelastung liegt dabei in Summe bei rund 30 Prozent. Eine darüber hinausgehende Besteuerung erfolgt erst bei Ausschüttung der Gewinne an die Anteilseigner:innen. Hier fallen unter Anwendung der Abgeltungssteuer weitere 25 Prozent Steuern an. Die Gesamtsteuerbelastung beläuft sich danach auf rund 48 Prozent.

Bei Personenunternehmen erfolgt die Besteuerung aufgrund des Transparenzprinzips grundsätzlich mit dem individuellen Steuersatz der Inhaber:innen bzw. Gesellschafter:innen. Unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer kann sich danach eine Steuerbelastung von bis zu 47 Prozent ergeben. Die Besteuerungsfolgen treten unabhängig davon ein, ob die erwirtschafteten Gewinne aus dem Unternehmen entnommen werden oder nicht.

Die größte Auswirkung der unterschiedlichen Besteuerung liegt im Zeitpunkt

Im Hinblick auf die Gesamtbesteuerung nach vollständiger Entnahme oder Ausschüttung aller Gewinne ergibt sich für Personenunternehmen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften maximal ein Nachteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Der Unterschied liegt jedoch im Zeitpunkt der Besteuerung.

Unterliegen die Gesellschafter:innen bzw. Inhaber:innen einer Besteuerung mit dem Spitzensteuersatz, kann dies im schlimmsten Fall zu einer temporären Mehrbelastung von rund 15 Prozent im Vergleich zur Kapitalgesellschaft führen. Dies resultiert in erheblichen Nachteilen bei Eigenkapital und Liquidität für Personenunternehmen. Auswirkungen können sich bei Finanzierungsgeschäften und Investitionen ergeben und damit das Wachstums des Unternehmens sowie die Wettbewerbsfähigkeit hemmen.

Dies kann jedoch im Falle angespannter wirtschaftlicher Lage sogar existenzbedrohend sein. Viele Unternehmen und insbesondere KMUs haben das während der letzten zwei Jahre erfahren müssen. Die Nachwirkungen werden sie noch über Jahre begleiten.

So funktioniert die Thesaurierungsbegünstigung

Der Gewinn von Personenunternehmen unterliegt in Gänze der Einkommensteuer, auch wenn dieser tatsächlich nicht oder nicht vollständig entnommen wird. Die Thesaurierungsbegünstigung nach Paragraph 34a Einkommensteuergesetz (EStG) eröffnet Steuerpflichtigen die Möglichkeit, lediglich die entnommenen Gewinne regulär zu versteuern und darüber hinaus die nicht entnommenen Gewinne (Begünstigungsbetrag) zu lediglich 28,25 Prozent zu versteuern. Dies soll ungefähr dem kumulierten Steuersatz von Körperschaft- und Gewerbesteuer für Kapitalgesellschaften entsprechen. Der Begünstigungsbetrag abzüglich der darauf entfallenden Steuern stellt den nachversteuerungspflichtigen Betrag dar. Dieser ist sodann mit 25 Prozent nachzuversteuern, wenn in einem Folgejahr die Entnahmen die Einlagen und den Gewinn des entsprechenden Jahres übersteigen.

Die Nachteile für Personenunternehmen bestehen auch bei Thesaurierungsbegünstigung fort

Durch die gesetzlich fixierten Steuersätze der Thesaurierungsbegünstigung von 28,25 Prozent Besteuerung des Begünstigungsbetrages sowie weitere 25 Prozent im Falle der Nachversteuerung ergibt sich für die thesaurierten Gewinne eine Gesamtsteuerbelastung von rund 48 Prozent. Sofern keine Entnahmen getätigt werden und somit die Thesaurierungsbegünstigung für den gesamten Gewinn in Anspruch genommen werden kann, ist die Steuerbelastung im Vergleich zur Kapitalgesellschaft fast identisch.

Dies ist jedoch im Regelfall nicht gegeben, da zumindest die zu leistenden Steuern entnommen werden müssen. In diesem Fall liegt die Steuerbelastung bereits um rund 6 Prozent höher. Die Diskrepanz erhöht sich, je größer die Entnahmen sind. Ist also die Begleichung der Steuerschulden nicht aus vorhandenen privaten Mitteln möglich, ist das Ziel der näherungsweisen Gleichbehandlung von Kapitalgesellschaft und Personenunternehmen nicht erreichbar.

Zudem setzt die Thesaurierungsbegünstigung am Steuerbilanzgewinn und nicht am steuerpflichtigen Gewinn an. Nicht abzugsfähige Betriebsausgaben wie die Gewerbesteuer unterliegen damit immer dem individuellen Steuersatz und können nicht mit dem begünstigten Steuersatz von 28,25 Prozent besteuert werden.

Thesaurierungsbegünstigung ist nur für große Unternehmen interessant

Die Thesaurierungsbegünstigung ist ausschließlich für Steuerpflichtige interessant, die sich nahe am Spitzensteuersatz bewegen. Für Inhaber:innen/ Gesellschafter:innen von KMUs mit individuell niedrigerem Steuersatz würde sich durch die Thesaurierung eine höhere Steuerbelastung ergeben, sodass ihre Anwendung in weiten Teilen des Mittelstandes faktisch nicht in Betracht kommt.

Thesaurierungsbegünstigung: Eine Regelung mit vielen Kritikpunkten

Die Vorschrift zur Thesaurierungsbegünstigung ist deutlich zu kompliziert gestaltet, sodass sie in der Praxis keinen relevanten Anwendungsbereich findet. Neben dem ständigen Vergleich der Steuersätze betrifft dies im Besonderen Punkte, die in der Corona-Pandemie an Bedeutung gewinnen.

Wurde in der Vergangenheit die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen und werden in Folgejahren Verluste verzeichnet, werden Inhaber:innen und Gesellschafter:innen im Zweifel weiterhin Entnahmen tätigen müssen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Diese müssen versteuert werden, obwohl gegenläufig Verluste generiert werden. Die Verluste können jedoch nach dem Gesetz nicht sofort mit nachversteuerungspflichtigen Gewinnen verrechnet werden, sondern erst in Folgejahren.

Thesaurierte Gewinne sind stets nachzuversteuern, wenn das Unternehmen handelsrechtlich nicht mehr fortbesteht. Diese Konsequenz ist auch bei diversen Umwandlungsvorgängen gegeben, sodass bei Umstrukturierungen Steuern anfallen können, die ggf. nicht finanziert werden können. Umstrukturierungen, welche unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie vielfach ein sinnvolles Mittel zur Einschränkung der Krise darstellen können, werden so derzeit behindert.

Bei der Thesaurierungsbegünstigung werden Personengesellschaften schlechter gestellt

Der systembedingten Schlechterstellung der Personenunternehmen wollte man mit der Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG entgegenwirken. Dies hat aus genannten Gründen nicht funktioniert. Anpassungen werden bereits seit gut einem Jahrzehnt gefordert, bereits im Koalitionsvertrag der Vorgängerregierung von 2013 lässt sich ein Plan zur Überprüfung finden. Passiert ist bisher nichts. Im aktuellen Koalitionsvertrag aus 2021 steht die Überprüfung erneut auf der Agenda.

Optionsmodell nach Körperschaftsteuergesetz ist für kleine Personengesellschaften wenig attraktiv

Mit der Einführung des Optionsmodells nach § 1a Körperschaftsteuergesetz (KStG) hat man den Personengesellschaften eine weitere Möglichkeit eröffnet, sich der Besteuerungssystematik der Kapitalgesellschaften anzunähern und Nachteile auszugleichen.

Für kleinere Personengesellschaften wird dieses Modell jedoch aufgrund der Komplexität und dem mit der Umsetzung verbundenen Aufwand wenig attraktiv sein. Darüber hinaus fehlt es bisher an Erfahrungen, wie praxisrelevant und anwenderfreundlich das Optionsmodell sein wird. Die bisherige Einschätzung geht klar in die Richtung, dass auch diese Vorschrift aufgrund ihrer Komplexität, des Verwaltungs- und Bürokratieaufwandes sowie der Gestaltungsanfälligkeit nicht im erhofften Maße praxistauglich sein wird.

Darum brauchen wir eine Reform der Thesaurierungsbegünstigung

Die Thesaurierungsbegünstigung und das Optionsmodell sind lediglich in Ausnahmefällen und dann ausschließlich für große Personengesellschaften attraktiv. Für Personenunternehmen mit Steuersätzen von kleiner 42 Prozent bietet sich derzeit keine geeignete Möglichkeit, Gewinne zu thesaurieren. Schließlich richtet sich das Optionsmodell wieder fast ausschließlich an größere Personengesellschaften, KMUs bleiben auch bei dieser Gesetzesänderung außen vor. Insoweit hat sich für diese nichts geändert. Darum ist eine Reform, die insbesondere für den Mittelstand geeignet ist, überfällig.

So kann eine Reform der Thesaurierungsbegünstigung aussehen

Konkrete Pläne für eine Änderung der derzeitigen Thesaurierungsbegünstigung gehen nicht aus dem Koalitionsvertrag hervor. Die Art der Formulierung legt auch nicht nahe, dass damit bald zu rechnen ist. Dennoch wurde bereits im Rahmen der Entwicklung und Verabschiedung des Optionsmodells eine Reform der Thesaurierungsbegünstigung angeregt und im Finanzausschuss des Bundestages thematisiert.

Es gibt einige Möglichkeiten, die mit geringem Aufwand einen größeren Anwendungsbereich der Regelung versprechen.

  • Zum einen kann die faktische Diskrepanz in der Besteuerung zwischen Kapitalgesellschaft und Personenunternehmen von mindestens 6 Prozent einfach entschärft werden. Dazu sollten Entnahmen für Steuerzahlungen und nicht abziehbare Betriebsausgaben nicht der tariflichen Einkommensteuer unterliegen.
  • Ebenso könnte generell der Besteuerungssatz für thesaurierte Gewinne von 28,25 Prozent zum Beispiel auf rund 22 Prozent herabgesetzt werden.
  • Eine dritte Möglichkeit besteht darin, das Transparenzprinzip partiell für die thesaurierten Beträge zu durchbrechen. Auf diese würde das Personenunternehmen im ersten Schritt selbst Einkommensteuer zahlen (z.B. 15 Prozent entsprechend der Körperschaftsteuer). Erst bei Entnahme erfolgt die Besteuerung auf Ebene der Inhaber:innen bzw. Gesellschafter:innen mit dem individuellen Steuersatz unter Anrechnung der von dem Personenunternehmen gezahlten Steuer. Alle Varianten führen zu dem Ziel, welches eigentlich mit der Einführung der Thesaurierungsbegünstigung verfolgt wurde.
  • Zudem müssen Lösungen erarbeitet werden, die bei beabsichtigten Umwandlungsvorgängen, zum Beispiel der Einbringung, eine Nachversteuerung verhindern und diese nicht zu behindern.
  • Das gesamte Verfahren muss vereinfacht werden. Weitere Erschwernisse, wie die beschränkt mögliche Entnahme von Alt-Rücklagen bei bereits erfolgter Thesaurierung, müssten abgeschafft werden.

All diese Änderungen könnte die Thesaurierungsbegünstigung auch für Personenunternehmen attraktiv machen, deren Gesellschafter:innen oder Inhaber:innen sich mit Ihrem Steuersatz in dem Bereich von 35 – 42 Prozent bewegen. Liegt dieser unter 35 Prozent, ist eine Thesaurierung ohnehin nur in Ausnahmefällen empfehlenswert, da danach unter den beschriebenen Bedingungen eine höhere Gesamtsteuerbelastung eintreten würde.

Unsere Einschätzung

Die derzeitige Vorschrift der Thesaurierungsbegünstigung gehört zu den kompliziertesten und anwenderunfreundlichsten Vorschriften des Ertragsteuerrechts. Ihre Anwendung kommt nur für große Personenunternehmen in Frage und ihre Umsetzung bedarf einer detaillierten Analyse und Planung. Oft steht der Aufwand nicht im Verhältnis zum erwarteten Effekt, sodass die Thesaurierungsbegünstigung in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielt. Ein vergleichbares Fazit ist nach derzeit herrschender Meinung auch für das Optionsmodell zu erwarten.

Einzelunternehmer:innen können das Optionsmodell nicht nutzen, die Thesaurierungsbegünstigung ist nur im Bereich des Spitzensteuersatzes eine Option. Das Kernproblem ist, kleinen und mittelständischen Unternehmen wird die Möglichkeit, nur entnommene oder ausgeschüttete Gewinne zu versteuern und von der Thesaurierung zu profitieren, vollständig verwehrt. Dabei sollte mittlerweile, insbesondere durch die Erfahrungen der Corona-Pandemie, offensichtlich sein, welchen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert der Mittelstand in unserem System hat.

Insofern erscheint es sinnvoll, auch für diese Unternehmen eine Möglichkeit der Stärkung des Eigenkapitals und der Liquidität zu schaffen. Auch bei einer niedrigeren Gesamtsteuerbelastung gilt es, vor dem Hintergrund des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit diesen die Möglichkeit zu geben, Reserven für Krisenzeiten zu schaffen. Gewinne zu thesaurieren und Steuerzahlungen somit zu stunden, erscheint hier ein probates Mittel.

Der Aufgriff der Thesaurierungsbegünstigung im Koalitionsvertrag mit dem Ansatz, diese zu „evaluieren und prüfen, inwiefern praxistaugliche Anpassungen erforderlich sind“, wird jedoch voraussichtlich nicht zu einem vielversprechenden Ergebnis führen. Vor allem nicht in angemessener Zeit. Die Überprüfung stand immerhin schon im Koalitionsvertrag von 2013. Und bereits seit damals ist offensichtlich, dass es praxistauglicher Anpassungen bedarf, eine weitere Prüfung ist unnötig. Aufgrund mangelnder Aussicht, dass sich für KMUs in absehbarer Zeit eine Möglichkeit der Thesaurierung bieten wird, ist eine solide Steuer- und Finanzplanung umso wichtiger.

Be weiteren Fragen stehen Ihnen unsere Expertinnen und Experten jederzeit zur Verfügung.

Raphael Niederstraßer

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt, M.A. Taxation

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