30. November 2021

Was Sie zu Ratenzahlungen und Umsatzsteuer wissen müssen

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in der Rechtssache C-324/20 mit den Themen Ratenzahlungen und Umsatzsteuer beschäftigt. Konkret hat er entschieden, dass die Umsatzsteuer auch bei Ratenzahlungen über mehrere Jahre im Zeitpunkt der Leistungserbringung entsteht. Lesen Sie hier, was das für Unternehmer:innen bedeutet.  

Beim aktuellen Urteil entschied der EuGH anderes als bei einer Spielervermittlerin (baumgarten sports & more, C‑548/17, EU:C:2018:970), die über drei Jahre hinweg für eine Spielervermittlung an einen Verein bezahlt wurde.

Umsatzsteuer und Ratenzahlungen – Hintergrund und Verfahrensgang

Hier kurz zusammengefasst, worum es bei dem Urteil ging: Im Jahr 2012 erbrachte Person X eine Vermittlungsleistung an die “T‑GmbH”. Zweck war der Verkauf eines Grundstücks durch die T‑GmbH an einen Dritten. In der geschlossenen Honorarvereinbarung wurde vereinbart, dass X zu diesem Zeitpunkt seine vertraglichen Verpflichtungen bereits erfüllt hatte.

Für die Vergütung der fraglichen Dienstleistungen setzte die Vereinbarung einen Betrag von einer Millionen Euro zuzüglich Mehrwertsteuer fest. Außerdem war vereinbart, dass dieser Betrag in Teilbeträgen von 200.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen sei. Die Beträge waren in einem Abstand von jeweils einem Jahr fällig und der erste Teilbetrag war am 30. Juni 2013 zu zahlen. Zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erstellte X eine Rechnung über den geschuldeten Betrag, vereinnahmte ihn und entrichtete die entsprechende Mehrwertsteuer.

Im Anschluss an eine Steuerprüfung stellte das Finanzamt B fest, dass die Dienstleistung im Jahr 2012 erbracht worden sei und dass X daher für dieses Jahr Mehrwertsteuer auf das gesamte Honorar hätte entrichten müssen. Gegen den Bescheid des Finanzamtes legte X Einspruch ein. Dass folgende Verfahren am Finanzgericht resultierte in einem Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH), welcher den Fall dem EuGH zur Entscheidung vorlegte.

Vorlagefragen an den EuGH

Der BFH fragte den EuGH zunächst, ob auch vorliegend die Umsatzsteuer erst im Moment der jeweiligen (Raten) Zahlung entsteht. Im Unterschied zum Verfahren baumgarten sports stünden die Zahlungen an X nicht unter einer Bedingung. Stattdessen wären sie nur vom Zeitablauf abhängig gewesen. Seine zweite Frage stellte der BFH für den Fall, dass die Umsatzsteuer vollständig im Jahr 2012 entstanden ist:
Liegt dann im Jahr 2012 unmittelbar nach Entstehung der Steuer eine Uneinbringlichkeit (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) hinsichtlich der erst in den Folgejahren zu zahlenden Raten vor?

Die Folge wäre, dass X im Jahr 2012 nur EUR 38.000 Umsatzsteuer entrichten müsste. Durch nachträgliche Vereinnahmung müsste sie in den Folgejahren jeweils den erhaltenen Betrag versteuern und daher pro Jahr weitere EUR 38.000 Umsatzsteuer abführen.

Die Entscheidung des EuGHs

Der EuGH ist hinsichtlich der ersten Frage der Auffassung, dass die Steuer für eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung im Moment der Leistungserbringung entsteht. Der EuGH folgert dies aus dem Wortlaut, dem Ziel und der Systematik der Regelung im gemeinsame Mehrwertsteuersystem der EU (MwStSystRL). Eine ratenweise Steuerentstehung tritt laut EuGH nur dann ein, wenn die Leistung wiederholt oder kontinuierlich während eines bestimmten (Leistungs-) Zeitraums erbracht werde.

Außerdem liegt laut EuGH auch kein Fall der Nichtbezahlung vor – insoweit Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 UStG. Eine Ratenzahlung sei kein solcher Fall. Eine Nichtbezahlung zeichne sich dadurch aus, dass die Erfüllung des Anspruchs ungewiss ist. Trotz der Neutralität der Umsatzsteuer für den Unternehmer sei weder bezüglich der Steuerentstehung noch der Uneinbringlichkeit ein anderes Ergebnis notwendig. Die Pflicht zur Steuerzahlung entstünde nämlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige vorher die Gegenleistung erhalten habe. Im Ergebnis muss X daher (wohl) im Jahr 2012 EUR 190.000 Umsatzsteuer bezahlen.

Das Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf die Praxis

Leider hat der EuGH keine konkreten Abgrenzungskriterien aufgestellt, warum in der Rechtssache baumgarten sports & more von einer anteiligen Steuerentstehung ausging und warum der EuGH im vorliegenden Fall eine komplette Steuerentstehung bejahte.
In der Praxis vereinbaren Vertragspartner häufig Ratenzahlungen, beziehungsweise Stundungen in Gestalt von Raten. Vor dem Hintergrund der Entscheidung der EuGH erscheint es unserer Meinung nach notwendig, die umsatzsteuerliche Verbuchung dieser Ratenzahlungen zu überprüfen. Dabei stellt sich schnell die oft nur schwer zu beantwortende Frage, ob eine sogenannte Teilleistung – insoweit auch nur eine anteilige Steuerentstehung in Höhe der Rate – oder eine Dauerleistung oder Lieferung vorliegt.

Unsere Einschätzung

Um böse Überraschungen bei Betriebsprüfungen zu vermeiden, kann es vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des EuGH notwendig sein, die gesamte Umsatzsteuer aus den Ratenzahlungen sofort abzuführen und dem Leistungsempfänger oder der Leistungsempfängerin sofort in Rechnung zu stellen. Dabei sollten Sie unbedingt darauf achteten, dass Ihre Abrechnungsdokumente diese umsatzsteuerlichen Konsequenzen korrekt widerspiegeln.

Haben Sie Fragen? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

Sebastian Raphael Vogt

Prokurist, Head of Indirect Tax, Rechtsanwalt (Syndikusanwalt)

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