5. November 2021

Volksentscheid in Berlin zur Enteignung von Wohnungskonzernen und unsere juristische Einordnung

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Eine Mehrheit von knapp 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner hat sich in einem Volksentscheid für die Enteignung der Wohnungskonzerne ausgesprochen. Doch wie funktioniert eine Enteignung, was sind die Voraussetzungen und woran kann das Ganze noch scheitern? Lesen Sie hier unsere juristische Einordnung zur Enteignung von Wohnungskonzernen.

Die Initiative “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” feierte den Ausgang der Befragung des 26. Septembers 2021 als großen Erfolg – auch wenn das Votum rechtlich für die Politik nicht bindend ist. Konkret geht es in Berlin um die Enteignung von rund einem dutzend Wohnungskonzerne, die etwa 240.000 Wohnungen besitzen. Das prominenteste unter ihnen ist wohl der Wohnungskonzern “Deutsche Wohnen”, nach dem sich die Initiative benannt hat. Deutsche Wohnen ist an der Börse notiert und hat rund 116.000 Wohnungen in Berlin und dem Berliner Umland im Portfolio. Weitere große Player sind beispielsweise Vonovia und Akelius.

Was ist die rechtliche Grundlage für die Enteignung?

Die Initiative argumentiert mit einer eher unbekannten Regelung aus dem Grundgesetz. Gemäß Art. 15 Grundgesetz (GG) können Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel gegen eine Entschädigung in Gemeineigentum überführt werden.

Diese Regelung wurde vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg in das Grundgesetz aufgenommen. Man wollte verhindern, dass Großindustrielle noch einmal zu so viel Macht kommen, dass sie entscheidenden Einfluss auf die Politik ausüben können.

Bis heute wurde die Regelung aus Artikel 15 GG nicht angewandt.

Was sind die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Enteignung?

Die Enteignung von Immobilien und Grundstücken ist ein schwerwiegender Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht (Art. 14 GG). Eingriffe in Grundrechte sind nur dann rechtmäßig, wenn sie erforderlich, angemessen und verhältnismäßig sind. Um diese Anforderungen zu erfüllen wollen die Initiatorinnen und Initiatoren von “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” nur Wohnungsunternehmen enteignen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Eine weitere Voraussetzung für die Enteignung soll nach der Vorstellung von “Deutsche Wohnen & Co. enteignen” sein, dass diese Unternehmen eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen.

Was sind mögliche Folgen einer Enteignung?

Eine neu zu schaffende Anstalt des öffentlichen Rechts sollte neue Eigentümerin der Immobilien werden. Der Enteigner – also die Stadt Berlin – müsste die enteigneten Unternehmen entschädigen.

Der Berliner Senat schätzt die Entschädigung auf einen Betrag zwischen 28,8 und 30 Milliarden Euro.

Unsere Einschätzung

Aus unserer Sicht ist das Vorhaben der Initiative schon rechtlich nicht zulässig. Die Berliner Landesverfassung sieht den geplanten Eingriff in das Privateigentum gar nicht vor. Weil das Landesrecht den Bürger:innen hier einen umfassenderen Eigentumsschutz gewährt als das Bundesrecht, geht es dem Bundesrecht vor.

Weiter wäre der geplante Grundrechtseingriff in Art. 14 GG unverhältnismäßig. Enteignungen sind nur als letztes Mittel und dann nur zum Wohle der Allgemeinheit möglich.

Auch ist es dem Land Berlin aufgrund der Schuldenbremse gar nicht möglich, eine Enteignung gegen die Zahlung einer Entschädigung von rund 30 Milliarden Euro durchzusetzen.

Zudem würde der Vorgang potentielle zukünftige Investoren abschrecken. Dadurch würde sich das Wohnungsangebot nicht vergrößern, sondern es entstünden nur wenige Wohnungen für Besserverdienende. Um den Menschen zu helfen, bezahlbaren Wohnraum zu finden, wäre es besser, einen Teil der 30 Milliarden Euro, die als Entschädigung fällig würden, in den sozialen Wohnungsbau investieren.

Haben Sie Fragen zum Thema? Dann sprechen sie uns jederzeit gerne an!

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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