21. Oktober 2021

Fahrtenbuch führen – wichtiges Urteil für Unternehmer:innen 

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Unternehmer:innen kennen das Problem: Wer den Firmenwagen auch privat nutzt, muss die “1%-Regelung” anwenden – oder ein Fahrtenbuch führen. Genau dazu gibt es jetzt ein wichtiges Urteil. 

Fahrtenbuch oder 1%-Regelung – die Hintergründe

Unternehmer:innen, die ihr Firmenfahrzeug auch für private Zwecke nutzen und die schon erwähnte 1%-Regelung nicht anwenden wollen, müssen ein Fahrtenbuch führen. Das ist allerdings oft mühsam. Wer sich den Aufwand sparen möchte, entscheidet sich dann doch für die “1%-Regelung” – auch wenn sie oft teurer ist.

Geringfügige Mängel im Fahrtenbuch – Gericht entscheidet für Unternehmer:innen

Ein weiterer Grund, warum Unternehmer:innen oft kein Fahrtenbuch führen: Finanzbehörden erkennen sie oft auch bei nur geringfügigen Mängeln nicht an. Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit Urteil vom 16. Juni 2021 jedoch entschieden, dass ein Fahrtenbuch auch bei kleineren Mängeln und Ungenauigkeiten ordnungsgemäß sein kann.

Wert der privaten Nutzung

Die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs durch Unternehmer:innen führt zu einer Entnahme. Wie bereits in unserer Beitragsreihe  rund um Firmenwagen, Fahrtenbuch und den korrekten steuerlichen Umgang dargestellt, gibt es zwei Möglichkeiten den Wert der privaten Nutzung zu ermitteln. Das Gesetz sieht zunächst die Anwendung der typisierenden 1%-Regelung vor. Dabei wird die Entnahme für jeden Monat mit einem Prozent des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer angesetzt.

Da es verfassungsrechtlich bedenklich wäre, wenn eine solche Typisierung die einzige Möglichkeit wäre, die private Nutzung zu erfassen, gibt es noch eine Alternative: das Fahrtenbuch. Durch das Führen eines Fahrtenbuchs kann nämlich eine Übermaßbesteuerung durch die Anwendung der 1%-Regelung umgangen werden (sogenannte Escape-Klausel).

Bei der Fahrtenbuchmethode werden die durch das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch aufgeteilt. Dadurch wird der Wert der privaten Nutzung ermittelt.

Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch

Das ordnungsgemäße Fahrtenbuch ist gesetzlich nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung müssen die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Außerdem müssen die Aufzeichnungen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Das Fahrtenbuch muss zeitnah, im Sinne von „sofort”, und in geschlossener Form geführt werden. Dadurch wollen die Finanzbehörden nachträgliche Einfügungen oder Änderungen ausschließen oder sie sollen als solche erkennbar sein. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen gegebenenfalls noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden.
Diese Informationen  müssen in einem Fahrtenbuch für betriebliche Fahrten stehen:

  • Datum und Kilometerstand zu Beginn und zum Ende jeder einzelnen Fahrt
  • Reiseziel
  • Route, sofern es sich nicht um eine Stadtfahrt handelt
  • Reisezweck
  • Name des aufgesuchten Geschäftspartners

Die Aufzeichnungen müssen Angaben zu den geschäftlichen Reisen enthalten, anhand derer sich die berufliche Veranlassung der Fahrten plausibel nachvollziehen und gegebenenfalls auch nachprüfen lässt. Dazu genügt nicht, wenn nur allgemein und pauschal die betreffenden Fahrten als „Dienstfahrten” oder „Kundenbesuch” bezeichnet werden.

Ordnungsgemäßes Fahrtenbuch – Erleichterung durch Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts

Im Fall des niedersächsischen Finanzgerichts verwarf das Finanzamt das Fahrtenbuch aus folgenden Gründen:

  • Verwendung von Abkürzungen für Kunden und Ortsangaben
  • Fehlende Ortsangaben bei Übernachtung im Hotel
  • Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und laut Routenplaner
  • Keine Aufzeichnung von Tankstopps

Das Finanzgericht betonte, dass auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1%-Regelung führen würden, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.

So wies das Finanzgericht darauf hin, dass Abkürzungen entweder aus sich heraus verständlich sind oder Orte beziehungsweise Kund:innen sich leicht und eindeutig aus vorhandenen Kunden- und Adresslisten ermitteln lassen. Dem Finanzamt sei es auch zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus den vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln. Das gilt, wenn es sich nur um Einzelfälle handelt. Weiterhin betonte das Finanzgericht, dass kleinere Differenzen aus dem Vergleich zwischen den Kilometerangaben laut Fahrtenbuch und laut Routenplaner unschädlich sein sollen. Beispielsweise bei einer Größenordnung von bis zu 1,5 Prozent der jährlichen Gesamtfahrleistung. Tankstopps müssten auch nur dann gesondert aufgezeichnet werden, wenn die Tankstelle außerhalb der gekennzeichneten Route angefahren wird. Da die Tankstelle im vorliegenden Fall stets auf der angegebenen Route lag, bestand auch keine Notwendigkeit der gesonderten Eintragung.

Unsere Einschätzung

Bislang scheuten viele Unternehmer:innen davor zurück, ein Fahrtenbuch zu führen, da es bereits bei der kleinsten Unstimmigkeit von dem Finanzamt verworfen wurde. So führte bereits die fehlende Aufzeichnung eines Tankstopps auf der eigentlichen Route zur Nichtanerkennung des Fahrtenbuchs. Aber auch die Angabe immer gleicher Kilometerangaben für gleiche Strecken, das ordentliche einheitliche Schriftbild und das Fehlen von Knicken und Gebrauchsspuren veranlasste das Finanzamt, an der zeitnahen Führung zu zweifeln und eine nachträgliche Erstellung des Fahrtenbuchs zu vermuten.
So erfreulich die Entscheidung des niedersächsischen Finanzgerichts auch ist, muss dennoch darauf hingewiesen werden, dass andere Finanzgerichte in vergleichbaren Fällen durchaus strenger urteilen und teilweise eine fehlende Hotelanschrift als gewichtigen Mangel ansehen.
Deshalb unser Rat: Führen Sie Ihr Fahrtenbuch weiterhin so genau und detailliert wie möglich!

Haben Sie Fragen zum Thema? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

 

Eva-Maria Klassen

Prokuristin, Steuerberaterin, LL.M.

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