15. Oktober 2021

Kein Geld für ungeimpfte Arbeitnehmer in Quarantäne ab 1. November 2021

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Ab dem 1. November bekommen ungeimpfte Arbeitnehmer:innen im Falle einer amtlich angeordneten Quarantäne kein Geld mehr von Arbeitgeber:innen. Den Wegfall der Verdienstausfallentschädigung haben die Gesundheitsminister beschlossen. Betroffen sind Arbeitnehmer:innen, die sich bewusst nicht impfen lassen wollen, obwohl es für sie eine Impfempfehlung gibt. Hier erfahren Sie, warum diese Regelung rechtlich problematisch ist. 

Darum gibt es keine Lohnentschädigung für ungeimpfte Arbeitnehmer:innen – die Fakten

Keine Coronaschutzimpfung – kein Geld. Kann das sein? Klar ist, dass genau dieses Szenario für viele Ungeimpfte ab dem 1. November 2021 zur Realität wird. Denn am 22. September 2021 haben die Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern beschlossen, Ungeimpften im Falle einer amtlich angeordneten Quarantäne keine Verdienstausfallentschädigung mehr zu zahlen – diese Regelung gilt ab dem 1. November 2021.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz haben grundsätzlich alle Arbeitnehmer:innen, die erkrankt und dadurch arbeitsunfähig sind, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das gilt für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit. Die Entgeltfortzahlung leistet der jeweilige Arbeitgeber beziehungsweise die jeweilige Arbeitgeberin. Dieser Anspruch besteht allerdings nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auch die Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Ungeimpfte Arbeitnehmer:innen, die sich aufgrund der Kontaktnachverfolgung in Quarantäne begeben müssen, sind allerdings in der Regel arbeitsfähig. Ob die Anordnung einer Quarantäne es ihnen unmöglich macht, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, hängt davon ab, ob sie diese “vor Ort”, in einem Betrieb oder ob sie auch aus dem Homeoffice arbeiten können. Arbeitnehmer:innen, die während der Quarantäne von Zuhause arbeiten können, behalten entsprechend ihren Lohnanspruch. Problematisch wird es für die anderen Kolleginnen und Kollegen, die ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in einem Betrieb erfüllen müssen.

Bislang konnte Lohn erstattet werden

Denn ist Arbeitnehmer:innen durch die Quarantäneanordnung die Erbringung ihrer Arbeitsleistung unmöglich, entfällt für sie grundsätzlich die Vergütungspflicht. Das regelt der § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Bislang haben Arbeitnehmer:innen ihren Lohn im Quarantänefall dennoch vom Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin erhalten. Denn Arbeitgeber:innen konnten bisher einen Antrag auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen bei Verdienstausfall von Arbeitnehmer:innen aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne oder eines Tätigkeitsverbotes nach § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bei der zuständigen Behörde stellen. Diese erstattete Arbeitgeber:innen den Verdienstausfall, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorlagen. Entscheidend war, ob die Anordnung einer Quarantäne es Arbeitnehmer:innen unmöglich machte, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Das ist der Fall, wenn die betroffene Person ihre Wohnung verlassen muss, um zu arbeiten. Nur in diesem Fall bestand bislang Anspruch auf eine Entschädigung für den erlittenen Verdienstausfall.

Keine Verdienstausfallentschädigung mehr ab dem 1. November 2021

Ab dem 1. November 2021 erhalten Arbeitnehmer:innen, die sich gegen eine Corona-Schutzimpfung entschieden haben, allerdings keine Verdienstausfallentschädigung mehr für die Zeit ihrer Quarantäne. Möglich macht das § 56 Absatz 1 Satz 4 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG). Darin ist geregelt, dass der Anspruch auf Entschädigung entfällt, wenn eine öffentlich empfohlene Impfung möglich ist, der oder die Betroffene die Quarantäne also durch eine Coronaschutzimpfung hätte abwenden können. Ausgenommen von dieser Regelung bleiben Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können.

Geimpfte und genesene Personen haben weiterhin einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung. Für Genesene und Geimpfte wird eine Quarantäne normalerweise nur dann angeordnet, wenn es zu Impfdurchbrüchen kommt oder der Nachweis einer Infektion mit einer Virusvariante vorliegt. Hier entscheidet das zuständige Gesundheitsamt im Einzelfall. Arbeitnehmer:innen, die sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert und Corona-typische Symptome haben sind also nicht betroffen. Diese Personen gelten als arbeitsunfähig und bekommen derzeit noch eine Lohnfortzahlung wie bei jeder anderen Krankheit. Näheres zu den Quarantäne-Bedingungen regeln die jeweiligen Bestimmungen der Bundesländer.

Viele rechtliche Hürden

Erfahren Arbeitgeber:innen von der Quarantäne eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin, stellt sich die Frage: Kann für die betreffenden Arbeitnehmer:innen bei der zuständigen Behörde eine Verdienstausfallentschädigung beantragt werden? Ob die Voraussetzungen für die Erstattung erfüllt sind, hängt ab dem 1. November 2021 maßgeblich von deren Impfstatus ab. Dabei ist zu beachten, dass das Gesundheitsamt auch wegen anderer Krankheiten eine Quarantäne anordnen kann. Das gilt beispielsweise für Tuberkulose oder Tollwut.  Für diese Krankheiten besteht nach wie vor ein Entschädigungsanspruch. Das bringt Arbeitgeber:innen in die Situation, Arbeitnehmer:innen fragen zu müssen, aufgrund welcher Krankheit die Quarantäne angeordnet wurde. Informationen über die Gesundheit eines Beschäftigten unterliegen aber gemäß Artikel 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung, § 26 Absatz 3 Bundesdatenschutzgesetz, §§ 1, 7, 8 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz sowie § 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz einem besonderen Schutz.

Arbeitnehmer:innen sind nicht verpflichtet, diese mitzuteilen. Auch die Frage nach dem Impfstatus ist derzeit in den überwiegenden Berufsgruppen unzulässig. Grund dafür ist, dass es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt und die Gerichte hierzu bislang nicht entschieden haben. Schweigen also Arbeitnehmer:innen auf die Frage nach dem Impfstatus oder dem Grund für die Quarantäne-Anordnung, birgt dies für Arbeitgeber:innen das Risiko, für seine oder ihre Lohnfortzahlung keine Entschädigung durch die Behörde zu erhalten. Das könnte dazu führen, dass Arbeitgeber:innen die Lohnfortzahlung von der Preisgabe des Impfstatus abhängig machen werden. Faktisch führt die neue Regelung zum Wegfall der Lohnentschädigung somit zu einer scheinbar gewollten Benachteiligung ungeimpfter Arbeitnehmer:innen. Und das, obwohl keine Impfpflicht besteht. Er oder sie muss Gesundheitsdaten offenbaren, um nicht in wirtschaftliche Not zu geraten. Ob dies mit Hinblick auf die oben genannte Normenkette zulässig ist, bleibt abzuwarten.

Unsere Einschätzung

Die hier aufgeworfenen Rechtsfragen werden   derzeit   durch   die   Gesetzeslage nicht eindeutig beantwortet. Wir raten Arbeitgeber:innen daher, nicht den Fehler zu machen, beim Schweigen ihrer Arbeitnehmer:innen über den eigenen Impfstatus pauschal eine Entgeltfortzahlung abzulehnen. Das gilt auch dann, wenn sie befürchten, keine Erstattung durch die zuständige Behörde zu erhalten. Können Arbeitnehmer:innen berechtigte Gründe vortragen, weshalb sie sich nicht impfen lassen, könnte die ausgebliebene Entgeltfortzahlung eine Diskriminierung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen. In Betracht käme hier eine Diskriminierung aufgrund religiöser Gründe oder aufgrund einer bestehenden Schwangerschaft (derzeit keine Impfempfehlung für Schwangere im ersten Trimester).

Ein Verstoß gegen das AGG könnte für Arbeitgeber:innen ernste Folgen haben. Zum einen die, dass betroffene Arbeitnehmer:innen die Entgeltfortzahlung im Klagewege letztlich doch verlangen können. Zum anderen drohen möglicherweise auch Schadensersatzzahlungen nach § 15 II 1 AGG. Da im Arbeitsgerichtsprozess jede Partei ihre Kosten gemäß § 12 a I ArbGG selbst tragen muss, stellt dies für Arbeitgeber:innen auch dann ein wirtschaftlich relevantes Risiko dar, wenn er oder sie vor Gericht Recht bekommt. Wir erwarten, dass sich bald die ersten Gerichte mit der Frage beschäftigen müssen, ob es gerecht ist, dass Arbeitnehmer:innen, die sich allein zum Schutz der Allgemeinheit isolieren, keinen Lohnentschädigungsanspruch haben.

Haben Sie Fragen zum Thema? Dann kommen Sie jederzeit gerne auf uns zu!

 

 

Johannes Dähnert

CSO, CCO, CHRO, Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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