30. September 2021

Aktuelle Regelungen zu Verspätungszuschlägen: Ungleichbehandlung bei Rentner:innen?

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Der automatisierte “neue” Verspätungszuschlag gilt seit 2019. Alle Infos zu Ausnahmen, der Höhe und einer etwaigen Ungleichbehandlung von Rentner:innen in der Übersicht. 

Was ist der Verspätungszuschlag?

Der Verspätungszuschlag ergibt sich aus § 152 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO). Wenn Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr (Veranlagungsjahr, wie zum Beispiel die Einkommensteuer) oder einen gesetzlich festgelegten Zeitpunkt beziehen (wie zum Beispiel eine Erbschaftsteuererklärung), nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des betreffenden Kalenderjahres oder Zeitpunkts eingereicht werden, setzen die Finanzbehörden automatisiert einen gesetzlich normierten Verspätungszuschlag fest.

Wie hoch ist der Verspätungszuschlag?

Seit 2019 berechnet sich der automatisierte „neue“ Verspätungszuschlag wie folgt: Er beträgt pro angefangenem „Säumnis“-Monat 0,25 Prozent der um die Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten Steuer. 25 Euro monatlich sind es allerdings mindestens. Der Verspätungszuschlag wird immer auf den vollen Euro abgerundet und darf höchstens 25 000 Euro betragen.

Gibt es Ausnahmen beim Verspätungszuschlag?

Ja, die gibt es. Sie sind beispielsweise in § 152 Abs. 5 Satz 3 AO geregelt: Fordert die Finanzbehörde eine:n Steuererklärungspflichtige:n erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe der Steuererklärung auf, so muss sie den Verspätungszuschlag nur für die Monate berechnen, die nach Ablauf der gesetzten Frist begonnen haben. Das gilt, wenn der Steuerpflichtige bis dahin davon ausgehen konnte, keine Steuererklärung abgeben zu müssen.

Deutscher Steuerberaterverband (DStV) weist auf Ungleichbehandlung von Renter:innen bei Verspätungszuschlägen hin

Der Deutsche Steuerberaterverband weist darauf hin, dass es diesbezüglich insbesondere bei Rentnerinnen und Rentnern zu einer ungleichen Behandlung kommen kann. In einer Stellungnahme an das Bundesministerium für Finanzen vom 13. September 2021 verdeutlichen sie das Problem.

Welche Rentner:innen sind bevorzugt?

Es betrifft Rentner:innen, die in der Vergangenheit vom jeweils zuständigen Wohnsitzfinanzamt zunächst eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung (NV-Bescheinigung) oder eine Mitteilung, künftig nicht mehr erklärungspflichtig zu sein, erhalten haben und dann später vom Finanzamt nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung (für unter Umständen länger zurückliegende Zeiträume) aufgefordert werden. Eine verzögerte Auswertung der Rentenbezugsmitteilungen seitens der Finanzverwaltung könnte beispielsweise dafür der Grund sein.

Die Verschonungsregelung räumt den Betroffenen quasi eine rückwirkende Fristverlängerung ein.

Verschonungsregelung schafft rechtliches Problem bei Verspätungszuschlägen
Ein rechtssystematisches Problem ergibt sich, wenn ein:e Rentner:in – ohne gesonderte Aufforderung des Finanzamts – feststellt, für zurückliegende Veranlagungszeiträume eine Steuererklärung abgeben zu müssen. Das könnte beispielsweise aufgrund von Rentenanpassungen der Fall sein. Reicht die Rentnerin bzw. der Rentner daraufhin die ausstehenden Steuererklärungen ordnungsgemäß “freiwillig” ein, greift bei länger zurückliegenden Veranlagungszeitraum der automatische Verspätungszuschlag.
Hätte die gleiche Rentnerin oder der gleiche Rentner das nicht selbstständig erkannt und das Finanzamt hätte die betroffene Person erstmalig zur Abgabe aufgefordert, würde der automatische Verspätungszuschlag aufgrund der besonderen Verschonungsregelung nicht zum Tragen kommen.

Im Ergebnis entsteht so eine Ungleichbehandlung zwischen Rentenbeziehenden, die eigeninitiativ eine Steuererklärung abgeben, gegenüber denjenigen, die auf die Aufforderung seitens des Finanzamtes warten.

An dieser Stelle sei ergänzt, dass viele Rentner:innen ganz und gar unbemerkt in die Erklärungspflicht rutschen. So dürfte vielen nicht bewusst sein, dass beispielsweise Rentenerhöhungen nicht mehr von ihrem individuellen Rentenfreibetrag gedeckt sind. Auch wenn der Lebenspartner stirbt, kann sich dies auf die Erklärungspflicht auswirken, ohne dass der Betroffene unmittelbar daran denkt. Schließlich gehen gerade solche persönlichen Verluste oftmals mit einer drastischen Umstellung der bisherigen Lebensweise einher. Diese Gruppe an Steuerpflichtigen ist daher besonders schutzwürdig.

Wie die Ungleichbehandlung von Rentner:innen bei Verspätungszuschlägen behoben werden kann

Natürlich sollte es das Ziel sein, die beschriebene Ungleichbehandlung zu beseitigen. Der DStV schlägt dazu vor, dass es zur Auslegung der Vorschrift § 152 Abs. 5 Satz 3 AO eine entsprechende Verwaltungsanweisung geben könnte, die sich auf diese Ungleichbehandlung bezieht:

„In den Fällen, in denen Rentnerinnen bzw. Rentner zunächst davon ausgehen durften, nicht mehr erklärungspflichtig zu sein, hat die Finanzverwaltung bei erstmaliger unaufgeforderter Abgabe von Steuererklärungen eine rückwirkende Fristverlängerung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AO zu gewähren. Dies betrifft insbesondere den Fall, in dem Rentnerinnen bzw. Rentner in der Vergangenheit vom zuständigen Finanzamt eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung oder eine Mitteilung erhalten haben, künftig nicht mehr erklärungspflichtig zu sein. Rentnerinnen und Rentner handeln in diesen Fällen unverschuldet i.S.d. § 109 Abs. 2 Satz 1 AO.“

Unsere Einschätzung

Wir begrüßen das Tätigwerden des Deutscher Steuerberaterverbandes sehr. Denn auch wir, sowohl als Steuerberater:innen als auch selbst als Steuerzahler:innen, sind für eine gleichmäßige Besteuerung und eine Gleichbehandlung aller. Ob das Finanzministerium nun etwas unternimmt, wird sich zeigen. Dazu halten wir Sie auf dem Laufenden.

Der automatisierte Verspätungszuschlag gilt nicht nur für Rentner:innen, sondern für alle Steuerpflichtigen.
Die hier beschriebene Ungleichbehandlung ist ein Anlass, um auf den automatisierten Verspätungszuschlag im Allgemeinen aufmerksam zu machen. Da er automatisiert festgelegt wird, hat die Finanzverwaltung dort eben keinen Ermessensspielraum. Auch wir als Steuerberater:innen können da nicht mehr viel machen. Achten Sie also auf eine fristgerechte Einreichung Ihrer Steuererklärungen. Insbesondere gilt das, wenn Sie mit einer Nachzahlung rechnen müssen.

Haben Sie Fragen? Kommen Sie gerne auf uns zu.

 

Lars Rinkewitz

Prokurist, Steuerberater, Diplom-Kaufmann

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