31. August 2021

Sind Überziehungszinsen nach Ablauf des Kreditvertrags zulässig?

Die Corona-Pandemie hat die Liquidität vieler Unternehmen beeinflusst. Nicht zuletzt stellen sich daher viele Unternehmer:innen die Frage nach Maßnahmen zur Liquiditätssteigerung. Die Frage nach der Zulässigkeit von Überziehungszinsen bei einer erfolgreichen Betriebsführung ist dabei ein Dauerbrenner. Doch sind auch bei einem abgelaufenen Kreditvertrag Überziehungszinsen zulässig? Denn: Überziehungszinsen können Banken nur im Ausnahmefall erheben. Lesen Sie hier alles über die Zulässigkeit von Überziehungszinsen.

Was bedeutet Kontokorrentkredit? Was sind Überziehungszinsen?

Mit einem Kontokorrentkredit, in der Bankfachsprache auch Dispositionskredit genannt, können Kund:innen ihr Konto bis zu einer bestimmten Höhe überziehen. Dies bietet sich zur Überbrückung kurzfristiger finanzieller Engpässe auch an. Banken schätzen diesen Kredit wegen der hohen Zinsen sehr. Sie liegen deutlich höher als Zinsen anderer Kredite. Sollten Bankkund:innen den gewährten Kreditrahmen überschreiten und die Bank die Überziehung dulden, wird grundsätzlich ein noch höherer Zinssatz fällig. Diese Überziehungszinsen können bis zu 4,5 Prozent über dem vereinbarten Zinssatz des Kontokorrentkredits liegen.

Erhebung von Überziehungszinsen auch nach Ablauf des Kreditvertrags

Banken versuchen solche Überziehungszinsen auch dann zu erheben, wenn der befristete Kreditvertrag abgelaufen ist und Kund:innen das zur Verfügung gestellte Kapital nicht fristgerecht zurückzahlen und weiterhin in Anspruch nehmen. Grundlage dieser überhöhten Zinsen sollen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sein.

Überziehungs- oder Verzugszinsen: Das sagt der Bundesgerichtshof

Diese Klauseln hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2003 (BGH Urteil vom 18.03.2003 XI ZR 202/02) als unangemessene Benachteiligung der Kund:innen betrachtet. Der Bundesgerichtshof musste sich im Verfahren damit auseinandersetzen, ob die Klauseln in den AGB die Bank dazu berechtigten, Überziehungszinsen für die Zeit nach Ablauf des befristeten Kredites zu verlangen. Es war außerdem zu prüfen, ob sich die Kund:innen in Verzug befanden und deswegen nur ein Verzugszins, nicht aber ein (höherer) Überziehungszins verlangt werden konnte.

AGB begründen keinen Anspruch auf Zahlung von Überziehungszinsen

AGB, die als Grundlage für die Überziehungszinsen herangezogen werden sollten, hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, argumentierte der BGH. Die Annahme von Überziehungszinsen für die Kreditinanspruchnahme nach Ablauf der Kreditverträge – also für eine zeitliche Überziehung – stelle dem Gericht zufolge eine unzulässige Pauschalisierung von Verzugsschäden dar.

Der BGH begründete diese Entscheidung mit dem klaren Wortlaut der Klauseln, der nur „geduldete“ Überziehungen meine. Das seien aber nur solche, die nicht durch Guthaben oder einen Kreditrahmen gedeckt sind. Gemeint sind daher nur Überziehungen über den Betrag eines vereinbarten Kredits hinaus; nicht jedoch (zeitliche) Überziehungen hinsichtlich der Befristung des Kredits. Zahle ein:e Kreditnehmer:in ein bis zu einem kalendermäßig festgelegten Termin gewährtes Darlehen bei Fälligkeit nicht zurück, so gerate die Person automatisch und ohne Mahnung in Verzug. Ab dann könne die Bank allerdings nur noch Schadensersatz beanspruchen, nicht jedoch vertraglich vereinbarte Zinsen zuzüglich Überziehungszinsen.

Schließt eine Duldung der Bank einen Verzug aus?

Selbst wenn es eine ausdrückliche bzw. stillschweigende Vereinbarung zwischen der Bank und Bankkund:innen gebe, die zur weiteren Kapitalnutzung nach Ablauf des Vertrages berechtige, könne kein Anspruch auf Überziehungszinsen entstehen, so der BGH. Es bestehe nämlich kein sachlicher Grund, warum nach Ablauf des Kreditvertrages erhöhte Überziehungszinsen anfallen sollten. Auch bei einer ausdrücklichen Vereinbarung hinsichtlich einer zeitlichen Überschreitung dürfe die Bank lediglich weiterhin die vertraglich vereinbarten Zinsen berechnen.

Unsere Einschätzung

Treffen ein Unternehmen unvorhergesehene Sonderausgaben oder kurzfristige Forderungsausfälle, schafft ein Kontokorrentkredit die nötige Flexibilität und Liquidität. Der BGH stellte eindeutig zugunsten der Kreditnehmer:innen fest, dass den Banken Überziehungszinsen nur für den Fall zustehen, dass ein Kredit in Anspruch genommen wird, dessen Rahmen nicht gedeckt ist. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Fragen zum Thema Überziehungszinsen nach Ablauf eines Kontokorrentkredits haben. Wir beraten Sie gerne.

Paola Koudela

Prokuristin, Rechtsanwältin

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