16. März 2021

Bundeskabinett verabschiedet Entwurf zum Lieferkettengesetz

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Das Bundeskabinett hat am 3. März 2021 einen Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz verabschiedet. Dieser liefert Unternehmen einen ausgeglichenen und realisierbaren gesetzlichen Rahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass zunächst nur Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Anwendungsbereich fallen. Ab dem 1. Januar 2024 soll diese Grenze auf 1.000 Mitarbeiter:innen herabgesetzt werden.
Im Blogbeitrag zum Thema Lieferkettengesetz sind wir bereits ausführlich auf viele der Themen eingegangen, die Unternehmen beachten sollten. Rege Diskussion über das „Ob und Wie” des neuen Lieferkettengesetzes dauerten an. Nun steht im Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz dessen Anwendungsbereich sowie die Definition von Lieferketten und Dokumentations- und Berichtspflichten.

Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes durch Beschäftigtenzahl definiert

Unternehmen, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer:innen beschäftigen, fallen zunächst in den Anwendungsbereich. Dabei sind Leiharbeitnehmer:innen zu berücksichtigen, die das Unternehmen mehr als sechs Monate einsetzt. Konzerne müssen die Arbeitnehmer:innen sämtlicher verbundener Unternehmen bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Konzernmutter berücksichtigen. Hier weist das Gesetz auf den § 15 Aktiengesetz hin.
Ab dem 1. Januar 2024 wird der Kreis der Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen ausgedehnt und fällt dann auf alle Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmer:innen.
Das Gesetz knüpft bei der Ermittlung der Anzahl der Arbeitnehmer:innen explizit nicht an vergleichbare Regelungen im Handelsgesetzbuch an. Obwohl diese eine eindeutige Berechnungsmethode darstellen. Vielmehr enthält die Gesetzesbegründung Hinweise zur Auslegung des Wortlautes im Gesetz. Demnach bedeutet „in der Regel“, dass Unternehmen die im Allgemeinen prägende Personalstärke heranziehen sollen, um die Anzahl der Arbeitnehmer:innen zu ermitteln. An dieser Stelle verweist der Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz auch auf entsprechende Rechtsprechung.

Definition der Lieferkette im Entwurf zum Lieferkettengesetz 

Dem Gesetzeswortlaut nach müssen Unternehmen alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens in die Betrachtung der Lieferkette mit einbeziehen. Sämtliche Schritte in der Herstellung und Produktion im In- und Ausland sind für die Definition der Lieferkette relevant. Beginnend bei der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zur Lieferung an den Endkunden.
Dabei kommt es auf das Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich und der unmittelbaren und der mittelbaren Zulieferer:innen an. Der eigene Geschäftsbereich beinhaltet jede Tätigkeit einer Gesellschaft als Rechtsträger des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmenszwecks.

Im Wortlaut ist der Begriff Lieferkette somit sehr weit gefasst.

Transparentes Lieferkettenmanagement als unternehmerische Aufgabe

In Pragraph 3 werden die Sorgfaltspflichten aufgezählt, zu denen das Gesetz die Unternehmen zukünftig verpflichtet. Hierzu zählen neben der Einrichtung eines Risikomanagements die folgenden Pflichten:

  • Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
  • Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen
  • Verabschiedung einer Grundsatzerklärung
  • Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern
  • Ergreifen von Abhilfemaßnahmen
  • Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern
  • Dokumentation und Berichterstattung

Risikomanagement zur Erkennung menschenrechtlicher und umweltbezogener Positionen in der Lieferkette

Alle betroffenen Unternehmen müssen ein angemessenes und wirksames Risikomanagementsystem implementieren. Es dient insbesondere die Erkennung menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken. Ferner muss es der Verletzung geschützter Rechtspositionen oder umweltbezogener Pflichten vorbeugen, sie beenden oder minimieren, sofern das Unternehmen diese Verletzungen oder Risiken innerhalb der Lieferkette verursacht oder dazu beiträgt. Unternehmen müssen eine eindeutige Zuständigkeit, beispielsweise in Form eines/einer Menschenrechtsbeauftragten schaffen.

Zur Kontrolle informiert sich die Geschäftsleitung regelmäßig, mindestens einmal jährlich, über die Arbeit dieses/dieser Beauftragten.

Dokumentations- und Berichtspflicht im Gesetzesentwurf zum Lieferkettengesetz

Pragraph 10 schreibt vor, dass Unternehmen die Erfüllung der Sorgfaltspflichten unternehmensintern dokumentieren und diese Dokumentation ab der Erstellung für mindestens sieben Jahre aufbewahren müssen. Zudem müssen sie einen jährlichen Bericht erstellen, der nachvollziehbar mindestens darlegen muss,

  1. ob und falls ja welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken das Unternehmen identifiziert hat,
  2. was das Unternehmen unter Bezugnahme auf die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten unternommen hat
  3. wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet, und
  4. welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für zukünftige Maßnahmen zieht.

Sofern keine menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken festzustellen sind, ist das im Bericht plausibel darzulegen. In dem Fall können Unternehmen auf Angaben zu den Punkten 2 bis 4 verzichten. Den Bericht müssen Unternehmen spätestens vier Monate nach dem Bilanzstichtag auf der Internetseite des Unternehmens für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei öffentlich zugänglich machen.
Außerdem sieht das Gesetz eine Prüfungspflicht für Berichte vor. Die Prüfung soll durch eine „zuständige Behörde“ erfolgen, die beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle angesiedelt sein soll.

Unsere Einschätzung

Aus der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass in Deutschland lediglich 500 bis 1.000 Unternehmen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen dürften. Bei der Ermittlung dieser Bandbreite wurden aber schon Annahmen darüber getroffen, inwieweit Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmer in risikobehaftete Lieferketten eingebunden sind. Mithin dürfte der Kreis der Unternehmen, die sich tatsächlich erstmal mit dem Gesetz befassen müssen, größer sein.
Darüber hinaus dürften auch die Zuliefer-Betriebe betroffen sein, deren Kunden in den Anwendungsbereich fallen. Sie müssen gegenüber ihren Kunden darlegen, dass sie selbst ebenfalls entsprechende Risikomanagementsysteme etabliert haben, um die geforderten Sorgfaltspflichten einzuhalten.

Ungeachtet der deutschen Gesetzgebung werden auf EU-Ebene weitere Diskussionen über die Einführung eines EU-weiten Lieferkettengesetzes geführt. Hier wird für eine Absenkung des Kriteriums der Arbeitnehmeranzahl plädiert. Mithin sollten sich alle Unternehmen, die Teil internationaler Lieferketten sind, mit einer Risikoanalyse befassen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass diese Thematik in der Zukunft für sie relevant werden kann.

Haben Sie Fragen zur praktischen Umsetzung? Sprechen Sie uns einfach an. Unsere Expertinnen und Experten beraten Sie umfangreich zum Entwurf des Lieferkettengesetzes.

 

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Thomas Müller

Associate Partner, Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)

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