23. Februar 2021

Neue Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor sollen Nachhaltigkeit fördern

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Am 10. März 2021 tritt die europäische Offenlegungsverordnung (VO (EU) 2019/2088) in Kraft. Für die Europäische Union ist sie Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie, die zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens beitragen soll. Dazu sollen neue Offenlegungspflichten für den Finanzdienstleistungssektor Nachhaltigkeit garantieren.

Eine Reihe von Fragen ist allerdings weiterhin ungeklärt. Wesentliche Detailregelungen, die Klarheit schaffen sollen, werden wohl erst ab dem 1. Januar 2022 gelten. Wir informieren an dieser Stelle über die wichtigsten Aspekte der Verordnung und den Kern der noch offenen Fragen in diesem Zusammenhang.

Wie neue Offenlegungspflichten für den Finanzdienstleistungssektor Nachhaltigkeit fördern

Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor, so der Originaltitel, datiert vom 27. November 2019: Sie wurde mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015 erlassen. Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der Europäischen Union kann demnach nur gewährleistet werden, wenn ihr der Schritt hin zu einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft gelingt, die die vorhandenen Ressourcen effizienter nutzt und den CO2-Ausstoß reduziert. Um das zu erreichen, möchte die EU unter anderem die Finanzmittelflüsse in nachhaltigere Investments umleiten.

Damit diese Umschichtung in nachhaltigere Finanzanlagen gelingen kann, sind einheitliche Reporting-Standards erforderlich, die die Vergleichbarkeit von Anlageprodukten gewährleisten und insbesondere auch über Aspekte der Nachhaltigkeit des jeweiligen Investments informieren, damit Anleger:innen diese in die Entscheidung einbeziehen können.

Für wen die neuen Offenlegungspflichten gelten

Die Verordnung gilt für Unternehmen, die als Finanzmarktteilnehmer:innen oder Finanzberater:innen agieren.

Als Finanzmarktteilnehmer:innen gelten im Wesentlichen Versicherungsunternehmen, Wertpapierdienstleister, bestimmte Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie Kreditinstitute, die Dienstleistungen als Portfolioverwalter erbringen. Finanzberater:innen sind Anlageberater:innen, -vermittler:innen oder auch Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung betreiben.

Das umfassen die nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten

Gemäß Artikel 3 der Verordnung sollen die Offenlegungspflichten Transparenz bei den Strategien für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken schaffen. Dazu müssen die Finanzmarktteilnehmer:innen auf ihren Internetseiten Informationen zu ihren Strategien zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken bei Investitionsentscheidungsprozessen veröffentlichen. Finanzberater:innen müssen auf ihren Internetseiten Informationen über die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Anlage- und Versicherungsberatungsprozess offenlegen.

Außerdem gelten Transparenzpflichten zu nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen unter anderem auf Ebene des Unternehmens, des Finanzprodukts und der Vergütungspolitik.

Mithin fordert die Verordnung die umfassende Offenlegung aller Informationen, die für die Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Investments durch Investor:innen erforderlich sind. Hierdurch soll das Ziel, Finanzmittelströme in nachhaltige Verwendungen zu lenken demnach mittelbar erreicht werden.

Ungeklärte Fragen

Die Verordnung verweist zum Teil auf delegierte Rechtsakte, die der Konkretisierung dienen sollen und somit die tatsächliche Umsetzung der geforderten Transparenz entscheidend beeinflussen dürften. Diese Rechtsakte sind jedoch noch nicht in Kraft und werden voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2021 verabschiedet.

So ist bislang zum Beispiel nicht geklärt, ob registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften alternativer Investmentfonds (AIF) in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Nicht eindeutig geregelt ist auch, wann ein Finanzprodukt tatsächlich ein nachhaltiges Investment darstellt oder lediglich einzelne Nachhaltigkeitsmerkmale zwar berücksichtigt, insgesamt aber nicht als nachhaltig anzusehen ist. Sofern ein Finanzprodukt ein Portfolio aus einzelnen Finanzinstrumenten abbildet, ist ebenfalls unklar ab wann dieses Portfolio als nachhaltig gilt. Davon wiederum hängt ab, wieviel Beimischung im Portfolio erlaubt ist.

Die drei Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) haben, unterstützt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), in einem Schreiben an die Europäische Kommission vom 7. Januar 2021 auf diese und andere Zweifelsfragen aufmerksam gemacht und um entsprechende Klärung gebeten. Die Europäische Kommission rät den betroffenen Unternehmen dazu, sich an den Entwürfen der ESAs zu orientieren und das restliche Jahr 2021 für die Vorbereitung auf das Inkrafttreten der Rechtsakte zu nutzen.

Wie können sich betroffene Unternehmen vorbereiten?

Auch wenn es noch ungeklärte Fragestellungen im Zusammenhang mit der Offenlegungsverordnung gibt, sollten sich Unternehmen, deren Geschäftsbereiche in den Anwendungsbereich fallen oder fallen könnten, mit den Entwürfen der ESAs auseinandersetzen. Darauf aufbauend sollten sie sich auf die möglicherweise für sie geltenden Offenlegungspflichten vorbereiten. Dazu zählt insbesondere die Ausarbeitung und Dokumentation von Strategien in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken.

Denn eine kommunizierbare Strategie setzt voraus, dass entsprechende Prozesse zur Identifikation von Nachhaltigkeitsrisiken im Unternehmen umgesetzt werden. Diese Prozesse müssen Unternehmen in das interne Risikomanagementsystem aufnehmen und laufend überprüfen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Nachhaltigkeitsrisiken nicht rechtzeitig erkannt und auch nicht kommuniziert werden. Das dürfte zu Haftungsrisiken gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern führen.

Unsere Einschätzung

Das Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf Investitionen in Finanzprodukte ist nicht neu. Entsprechende Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene gibt es seit einigen Jahren. Infolge dieser Entwicklung ergeben sich jetzt und in den nächsten Jahren Konkretisierungen, wie die hier vorgestellte Offenlegungsverordnung, die letztlich zu einem Umlenken der Geldflüsse in nachhaltigere Investitionsobjekte führen soll. Der Weg über die Finanzströme ist dabei ein indirekter, jedoch vermutlich effektiver Weg, weil die Geldanlage letztlich in realwirtschaftliche Investitionen fließt und momentan immer noch ein hoher „Anlagedruck” infolge der Niedrigzinsphase herrscht.

Diese Entwicklung müssen Unternehmer:innen aus allen Wirtschaftssektoren im Blick haben, um sich entsprechend vorzubereiten. Bei Fragen stehen Ihnen unsere Expertinnen und Experten jederzeit zur Verfügung.

Thilo Marenbach

Partner, Vorstand, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor

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