19. Oktober 2020

Entwurf zum Verbandssanktionengesetz und wie Unternehmenssanktionierungen neu geregelt werden

Inhaltsverzeichnis

Straftaten, die aus Verbänden (juristische Personen und Personenvereinigungen) heraus begangen werden, können nach geltendem Recht gegenüber dem Verband lediglich mit einer Geldbuße geahndet werden. Hier gilt das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Das veranlasste die Bundesregierung dazu, mit dem Entwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ die Ahndung entsprechender Verbandstaten auf eine neue Grundlage zu stellen. Das neue Gesetz ist auch als „Verbandssanktionengesetz“ bekannt. Der Gesetzesentwurf wurde von hitzigen Debatten und viel Kritik begleitet. Sowohl innerhalb der Regierungskoalition als auch aus der freien Wirtschaft. Dennoch befindet er sich inzwischen im Gesetzgebungsverfahren. Hier erhalten Sie die wichtigsten Details zum Thema „Der Regierungsentwurf zum Verbandssanktionengesetz und wie Unternehmenssanktionierungen neu geregelt werden“ und erfahren, was das Inkrafttreten für Sie bedeutet.

Entwurf zum Verbandssanktionengesetz: Hintergrund und Ziele

Laut der Bundesregierung stellt das Ordnungswidrigkeitengesetz insgesamt keine zeitgemäße Grundlage mehr für die Verfolgung und Ahndung kriminellen Unternehmensverhaltens dar. Denn es wurde für bloßes Verwaltungsunrecht konzipiert.  Ein Beispiel: Die Höchstgrenze der Verbandsgeldbuße liegt bei zehn Millionen Euro (gemäß § 30 OWiG). Das gilt unabhängig von der Verbandsgröße und begünstigt gerade die finanzkräftigen Konzerne. Erschwerend kommt hinzu, dass Verbandstaten deutscher Unternehmen im Ausland vielfach nicht verfolgt werden können.

An dieser Stelle soll das Verbandssanktionengesetz greifen: Es gilt für Verbände, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Neben der Schaffung von verbandsspezifischen Zumessungskriterien und eines Verbandssanktionenregisters ist insbesondere die Geltung des Legalitätsprinzips geplant. Dadurch soll die Verfolgung von Unternehmenskriminalität künftig von den Staatsanwaltschaften von Amts wegen betrieben werden. Es liegt dann also nicht mehr im Ermessen der zuständigen Behörden, ob sie aktiv werden.

Auch die in den letzten Jahren vermehrt durchgeführten internen Untersuchungen der Unternehmen sollen einheitlich geregelt werden. Wenn der Verband wesentlich dabei mitwirkt, die Verbandstat und die Verbandsverantwortlichkeit aufzuklären, soll die spätere Sanktion abgeschwächt werden. Gerade Mitarbeiterbefragungen stehen dabei im Fokus. Dabei müssen die Grundsätze eines fairen Verfahrens eingehalten werden. Also unter anderem der Hinweis zur Auskunftsverweigerung, Folgen von Auskünften in einem Strafverfahren und selbstverständlich die Möglichkeit zum Hinzuziehen eines Anwalts.

Schließlich sollen die Unternehmen als solche und nicht mehr nur die betreffenden Personen belangt werden können.

Entwurf zum Verbandssanktionengesetz und die wichtigsten Inhalte

Was ist eine „Verbandstat“?

Nach § 2 des Gesetzes ist eine „Verbandstat“ eine Straftat, durch die Verbandspflichten verletzt worden sind oder durch die eine Verbandsbereicherung erstrebt oder erreicht worden ist. Die zugrundeliegende Straftat ist nicht auf bestimmte Deliktarten beschränkt. Grundsätzlich kann also jede Straftat eine Verbandstat sein, wenn die Voraussetzungen des § 2 erfüllt sind.

Um auch Verbandstaten im Ausland verfolgen zu können, ist eine Strafbarkeit möglich, wenn der betreffende Verband zur Tatzeit einen Sitz im Inland hat.

Gegen einen Verband wird gemäß § 3 eine Verbandssanktion verhängt, wenn

  1. eine Leitungsperson dieses Verbandes eine Verbandstat begangen hat oder
  1. jemand sonstiges in Wahrnehmung von Verbandsangelegenheiten eine Verbandstat begangen hat, wenn Leitungspersonen des Verbandes die Straftat durch angemessene Vorkehrungen hätten verhindern oder wesentlich erschweren können.

Wie wird die Verbandstat konkret sanktioniert?

Die Verbandssanktion kann nach § 8 die Verbandsgeldsanktion oder die Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt sein. Nach § 12 kann das Gericht anordnen, dass die Verbandsgeldsanktion zur Wiedergutmachung des verursachten Schadens verwendet wird. Konkret beispielsweise, indem Geld an die Opfer ausgezahlt wird.

Die Höhe der Sanktion bewegt sich nach § 9 in einem Rahmen von mind. 500 Euro bis max. zehn Millionen Euro. Abhängig ist die Summe vom Grad des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit. Am Maximalbetrag ändert sich damit nichts.

Neu ist die Sanktionszumessung anhand des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Verbandes. Dadurch erhöhen sich die Sanktionen erheblich. Bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als einhundert Millionen Euro beträgt die Verbandsgeldsanktion sodann bei einer vorsätzlichen Verbandstat mindestens zehntausend Euro. Höchstens allerdings zehn Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes. Bei einer fahrlässigen Verbandstat beträgt die Sanktion mindestens fünftausend Euro und höchstens fünf Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes.

Hierbei soll auch die Ermittlung des durchschnittlichen Jahresumsatzes geregelt werden. Dazu wird der weltweite Umsatz aller natürlichen Personen und Verbände der letzten drei Geschäftsjahre, die der Verurteilung vorausgehen, zugrunde gelegt. Voraussetzung ist, dass die Personen und Verbände mit dem Verband als wirtschaftliche Einheit operieren. Nach § 12 ist der Sanktionsbetrag entweder an die Staatskasse zu zahlen oder zur Wiedergutmachung des verursachten Schadens zu verwenden.

Achtung: Der durchschnittliche Jahresumsatz kann auch geschätzt werden! 

Unsere Einschätzung

Das Verbandssanktionengesetz verschärft die Sanktionen des Unternehmensstrafrechts erheblich. Wir rechnen stark damit, dass gerade Compliance-Management-Systeme (CMS) zukünftig um ein Vielfaches relevanter werden als ohnehin schon. Denn ein gut funktionierendes CMS kann die Strafverfolgung verhüten oder im Ernstfall die Sanktion abmildern. Ein mangelhaftes CMS kann allerdings das Gegenteil bewirken. Hierzu soll im kommenden Jahr eine neue Zertifizierung möglich sein. Sie soll Ihnen den Nachweis im Sanktionsverfahren erleichtern.

Geplant ist, dass das Gesetz erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Wir raten Ihnen dazu, die Zeit bis dahin sinnvoll zu nutzen. Unsere Compliance-Experten unterstützen Sie gerne dabei, ein hinreichendes beziehungsweise zertifiziertes CMS und ein taugliches Untersuchungsverfahren zu installieren. Alternativ Ihre bereits bestehende Compliance zu prüfen. Gehen Sie kein Risiko ein und sprechen Sie uns an.

 

 

Jens Bühner

Partner, Rechtsanwalt, LL.M., Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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