7. Oktober 2020

OECD Framework soll Besteuerung digitaler Unternehmen regeln

Die Besteuerung der Digitalwirtschaft ist ein seit Jahren diskutiertes Thema. Der OECD Framework soll die Besteuerung digitaler Unternehmen regeln und bis Ende 2020 erarbeitet sein. Hier erhalten Sie einen Überblick über die zwei Säulen der Besteuerung digitaler Unternehmen. Außerdem zu Herausforderungen, einen Zeitplan des OECD Inclusive Frameworks und das Thema der Besteuerung digitaler Unternehmen als politisches Thema. 

Der Druck war von Anfang an hoch, als die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit der Fertigstellung des Gewinnkürzung- und Gewinnverlagerung-Aktionsplans (BEPS-Aktionsplan) im Oktober 2015 gleichzeitig begann, ein weiteres und noch weitreichenderes Projekt zu initiieren: ein Inclusive Framework (IF) zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, welches bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll.

Besteuerung digitaler Unternehmen durch OECD Framework basiert auf zwei Säulen 

Warum zahlt Amazon in Deutschland kaum Steuern? Diese Frage stellt sich in der öffentlichen Debatte immer wieder. Dem Problem der geringen Besteuerung digitaler Unternehmen nähert sich der OECD Inclusive Framework mittels eines Zwei-Säulen-Modells.

Säule 1 des OECD Inclusive Frameworks schafft neuen Nexus

Das grundlegende Problem bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft besteht darin, dass in Ermangelung klassischer physischer Anknüpfungspunkte wie Ansässigkeit oder Betriebsstätten dem Marktstaat kein Besteuerungsrecht zusteht. Folglich schlägt Säule 1 des Inclusive Frameworks (IF) vor, für Unternehmen, die als „consumer facing“ oder „highly digitalised“ gelten, das Besteuerungsrecht an nicht-physische Faktoren zu knüpfen und so einen neuen Nexus zu schaffen.

Sobald dieser Nexus greift, soll ein Teil des Residualgewinns im Marktstaat als steuerpflichtig betrachtet werden. Hierzu wird, nach Vergütung von Routinetätigkeiten gemäß des Fremdvergleichsgrundsatzes, der Residualgewinn formelhaft zwischen Ansässigkeits- und Marktstaat aufgeteilt. Die Formel soll dabei auf Faktoren wie den geschätzten Wertbeiträgen der Marktstaaten basieren, zum Beispiel zehn Prozent des EBIT über zehn Prozent (10 over 10).

Säule 2 des OECD Inclusive Frameworks schafft globale Mindeststeuer durch GLoBE

Säule 2 des Inclusive Frameworks (IF) konzentriert sich weniger auf die Digitalisierung, als vielmehr auf allgemeinere BEPS-Fragen im Rahmen eines Global Anti-Base Erosion Proposals – GloBE.

Nach GloBE sollen Besteuerungsrechte dann einem der beteiligten Länder zugewiesen werden, wenn das andere beteiligte Land – und hier liegt die Krux – souverän entschieden hat, Gewinne überhaupt nicht oder nicht „ausreichend hoch“ zu besteuern. Dies führt nicht nur effektiv zu einer globalen Mindeststeuer, sondern berührt darüber hinaus die fiskalische Souveränität. Steuertechnisch soll GloBE entweder im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung (Inclusion– und Switch-Over Rule) oder durch Abzugsbeschränkungen (Undertaxed Payments– und Subject to Tax Rule) umgesetzt werden.

Herausforderung der Besteuerung digitaler Unternehmen

In der bisherigen öffentlichen Diskussion wird vor allem kritisiert, dass es dem Ansatz an Begriffsdefinitionen und -interpretationen mangelt. Außerdem, dass ein scheinbar wirklichkeitsfremdes Grundvertrauen in bestehende Streitbeilegungsmechanismen gesetzt wird.

  • Was genau bedeutet zum Beispiel consumer facing und wie wird es gemessen?
  • Ist tatsächlich davon auszugehen, dass, wenn ein Staat das Steuersystem des anderen Staates als zu niedrig ansieht und damit seine Steuersouveränität in Frage stellt, die Staaten einen Kompromiss zur Vermeidung von Doppelbesteuerung finden?
  • Sollte der einzige international anerkannte Konsens im Bereich der Verrechnungspreise, der Fremdvergleichsgrundsatz, zugunsten der Verlagerung von Besteuerungsrechten aufgegeben werden?

Ganz zu schweigen von neuen Fragen, die sich in Bezug auf Bemessungsgrundlagen und Konsolidierungsregeln stellen werden.

Europäische Besteuerung digitaler Unternehmen

Zudem ist derzeit auch noch unklar, ob und inwieweit der Inclusive Framework  (IF) mit anderen Vorschlägen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft interagiert. Frankreich zum Beispiel hat bereits 2019 eine Digitalsteuer eingeführt, diese sogleich jedoch bis Ende 2020 ausgesetzt. Österreich, Italien, Spanien, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich, die Türkei… auch hier liegen konkrete Gesetzestexte vor oder sind angekündigt.

Abschlussbericht zur Besteuerung digitaler Unternehmen soll Ende 2020 vorliegen

Der von der OECD angestrebte Zeitplan ist eng. Doch trotz einer von Anfang Juli auf Oktober verschobenen Plenarsitzung zum OECD Inclusive Framework, wird der Abschlussbericht weiterhin für Ende 2020 angekündigt.

Wird also das internationale Steuersystem am 1. Januar 2021 in ein Chaos gestürzt? Nein. Denn so wie die Veröffentlichung der finalen BEPS-Berichte nicht über Nacht umgesetzt wurde (und in einigen Fällen bis heute nicht umgesetzt ist), ist auch der Abschlussbericht zum Inclusive Framework nur ein Zwischenziel.

Es wird viel länger dauern, bis der Inclusive Framework auf nationalen Ebenen umgesetzt ist. Mit Blick auf die Corona-Krise wahrscheinlich auch viel länger als erwartet. Schließlich haben viele Staaten kürzlich viele Milliarden für Soforthilfen und Konjunkturpakete in der Corona-Krise locker gemacht. Diese Staaten werden nun vermutlich nicht so einfach Besteuerungsrechte aufgeben oder abtreten.

Besteuerung digitaler Unternehmen als politisches Thema

Anfang Juni wurden Nachrichten bekannt, denen zufolge die US-Regierung eine (mit der Corona-Pandemie begründete) Pause der Verhandlungen fordert und gleichzeitig mit Vergeltungsmaßnahmen droht, sollten Länder eigene Digitalsteuern einführen. Zumindest Frankreich zeigte sich angesichts dieser Drohung jedoch nur wenig beeindruckt und kündigte an, seine Digitalsteuer wieder zu erheben, sollten die USA nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren.

Diese Ankündigung erneuerte der französische Finanzminister Bruno Le Maire Anfang September. Er forderte für ein Scheitern der Verhandlungen des Inclusive Frameworks noch für 2021 eine europäische Lösung. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz ergänzte, dass er sich dabei auch vorstellen könnte, etwaige Einnahmen aus einer europäischen Digitalsteuer zur Finanzierung des EU-Wiederaufbaufonds zu nutzen. So will er der EU eine eigene Einnahmequelle zukommen zu lassen.

Unsere Einschätzung

Im Kern folgt der Inclusive Framework zwei sich abzeichnenden Trends in der internationalen Besteuerung. So zeigt GloBE eine geistige Nähe zur Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB). Dieser Vorschlag soll dem innereuropäischen Steuerwettbewerb entgegentreten, wurde jedoch bereits mehrfach abgelehnt. Säule 1 lässt sich auf eine Formulierung zurückführen, die sich schon in den Entwürfen der BEPS-Papiere finden lässt. Sie lautet: Gewinne dort besteuern, wo sie entstehen. Der IF kann daher als Indikator gesehen werden, in welche Richtung sich das internationale Steuersystem entwickeln wird.

Aufgrund des noch unklaren Fahrplans und ausstehender wichtiger Entscheidungen gibt es derzeit keinen konkreten Handlungsbedarf. Dennoch sollte der OECD Inclusive Framework nicht ignoriert werden, da er innerhalb der G20 und der OECD breite Unterstützung genießt und – auch trotz corona-bedingter Verzögerungen – wohl kommen wird.

Wir werden Sie daher über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Sie sollten bestehende Geschäfts- und Verrechnungspreis-Modelle frühzeitig überprüfen und erwartbare Veränderungen bei der Einführung neuer Modelle antizipieren. Dabei unterstützen Sie unsere Experten gerne. Sprechen Sie uns an.

 

Georg Wenz

Associate Partner, Consultative Economist, Head of Transfer Pricing

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