6. Oktober 2020

Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit?

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Corona-bedingt wurde die Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzgrund Zahlungsunfähigkeit für einige Monate abgeschafft. Seit dem 1. Oktober 2020 gilt sie wieder. Konkret heißt das, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, die zahlungsunfähig sind, dies anzeigen müssen. Doch was bedeutet zahlungsunfähig beziehungsweise Zahlungsunfähigkeit per Definition? Meist melden Betriebe erst dann ihre Zahlungsunfähigkeit, wenn sie ihre gesamte Liquidität aufgebraucht haben. Juristisch gesehen ist das allerdings falsch – und kann gravierende Folgen haben. Deshalb möchten wir Ihnen an dieser Stelle kurz die Fragen „Wann ist eine Verbindlichkeit fällig“ und „Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit“ beantworten.

Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit und wann liegt eine Verbindlichkeit vor?

Laut geltender Rechtsprechung liegt eine Verbindlichkeit im zivilrechtlichen Sinne dann vor, wenn:

  • ein Vertragspartner seine Leistung dem Vertrag gemäß erbracht hat
  • die Leistung vertragsgemäß abgerechnet wurde und
  • das in der Rechnung genannte Zahlungsziel erreicht wurde.

Hinweis zum Zahlungsziel: Falls im Vertrag kein Zahlungsziel genannt ist, ist der Rechnungsbetrag sofort fällig. Diese Fälligkeit kann dadurch beseitigt werden, dass der Rechnungsempfänger (Auftraggeber) und der Rechnungssteller (Auftragnehmer, Lieferant, Dienstleister) gesonderte Vereinbarungen treffen. Das können beispielsweise Absprachen zu Stundungen oder Ratenzahlungen sein.

Fällige Verbindlichkeit nach § 17 Insolvenzordnung (§ 17 InsO)

Eine Verbindlichkeit ist auch dann fällig, wenn sie es im Sinne des § 17 Insolvenzordnung (§ 17 InsO) ist. Grundsätzlich ist damit die übliche zivilrechtliche Fälligkeit gemeint – also der Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung einfordern kann. Der BGH macht im Insolvenzrecht eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Forderungen, die nicht ernsthaft eingefordert werden (dazu bedarf es einer eindeutigen Aussage des Schuldners), gelten als nicht fällig im Sinne von § 17 InsO.

Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit? Liquidität am Stichtag

Zahlungsunfähigkeit besteht dann, wenn die eigene Liquidität an dem Tag, an dem die Zahlung fällig wird, nicht abdeckt. Ist also für eine Unternehmerin oder einen Unternehmer absehbar, dass er oder sie an dem Tag, an dem eine Rechnung spätestens zu zahlen ist, diese nicht zahlen kann, besteht Zahlungsunfähigkeit.

Was bedeutet Zahlungsunfähigkeit? Der Deckungsgrad

Falls – wie beschrieben – die Liquidität am Zahlungsstichtag nicht ausreicht, um eine Rechnung zu begleichen, muss das Unternehmen eine Liquiditätsplanung für die kommenden drei Wochen erstellen. Stellt sich in der Planung heraus, dass nach Ende der drei Wochen die Liquidität wiederhergestellt ist, besteht nur der Zustand der „Zahlungsstockung“. Zur Erklärung: Die volle Liquidität liegt vor, wenn der Liquiditätsgrad bei 100 Prozent oder mehr liegt. Damit ist konkret gemeint, dass ausreichend Mittel vorhanden sind oder zufließen, damit ein Unternehmen alle Rechnungen zahlen kann.

Die vermutete Zahlungsunfähigkeit

Ist eine Liquiditätsplanung erstellt und stellt sich dabei heraus, dass der Deckungsgrad unter 100 Prozent, aber über 90 Prozent besteht, liegt eine „vermutete Zahlungsunfähigkeit“ vor. Liegt der Deckungsgrad unter 90 Prozent handelt es sich um eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit. In beiden Fällen muss die angefangene Liquiditätsplanung fortgeführt werden. Der Zeitraum dafür beträgt drei bis sechs Monate. Kommt am Ende der Betrachtung heraus, dass nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die volle Deckung der Liquidität (wieder-)hergestellt werden kann, liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Gelingt das, liegt im Umkehrschluss eine Zahlungsfähigkeit vor. Diese Planung und Betrachtung ist extrem wichtig. Denn kommt es zu einer Insolvenz, hat diese Vermutung einen großen Einfluss auf die Beweislastverteilung vor Gericht.

Unser Fazit

Seit dem 1. Oktober 2020 besteht wieder eine Insolvenzantragspflicht für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit. Gerade die Unternehmen, die sich infolge der Corona-Krise in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befinden, müssen also ihre Liquiditätsplanung jeweils für die nächsten drei Wochen genau beobachten. Dabei sind die hier dargestellten Kriterien zu berücksichtigen. Um eine spätere persönliche Haftung der Unternehmensleiter zu vermeiden, sollten diese ihre Planung und Kontrollmechanismen genau protokollieren.

Wenn Sie Fragen dazu haben, ob in Ihrem Fall eine Zahlungsunfähigkeit besteht, oder wir Sie bei der Planung und Kontrolle Ihrer Liquidität unterstützen dürfen, sprechen Sie uns gerne an.

 

 

 

Marcus Büscher

Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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