27. Mai 2020

Beauftragung eines inländischen Grundstücksverwalters kann zur Gewerbesteuerpflicht führen

Mit Urteil vom 21. November 2019 hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg eine überraschende Entscheidung getroffen: Die Beauftragung eines inländischen Grundstückverwalters kann zur Gewerbesteuerpflicht führen. Das hätte für ausländische Immobilien-Investoren, die ihren Grundbesitz im Inland verwalten lassen, weitreichende Folgen.

Wer einen inländischen Grundstücksverwalter einschaltet, gründet nach Ansicht des Finanzgerichts eine inländische Betriebsstätte, die zur inländischen Gewerbesteuerpflicht führt. Nach Ansicht des Finanzgerichts spielt eine personelle Verflechtung der Leitungsorgane zwischen ausländischem Investor und inländischem Grundstücksverwalter in diesem Zusammenhang keine Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtsansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg im Revisionsverfahren bestätigen wird. Das Revisionsverfahren ist unter dem Aktenzeichen I R 10/20 anhängig.

Das ist der Sachverhalt

Eine GmbH mit Sitz im Inland und Geschäftsleitung in Luxemburg (die Klägerin), erzielte Einkünfte aus der Vermietung einer in Deutschland gelegenen Immobilie. Für die Verwaltung der Immobilie erteilte die GmbH einer inländischen Grundstücksverwaltungsgesellschaft eine vollumfassende schriftliche Hausverwaltungsvollmacht. Durch die Vollmacht war die Grundstücksverwaltungsgesellschaft in der Lage, die GmbH in allen Belangen gegenüber Arbeitnehmern, Mietern, Behörden und sonstigen Personen in deren Namen zu vertreten. Die schriftliche Hausverwaltungsvollmacht umfasste zudem sämtliche Rechtsgeschäfte sowie die Befähigung, verbindliche Erklärungen bezüglich der Immobilie im Namen der Klägerin abzugeben. Darüber hinaus wurde die Grundstücksverwaltungsgesellschaft von den Vorschriften des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit.

Auf Basis dieser vollumfänglichen Hausverwaltungsvollmacht wurde die inländische Immobilie durch die Grundstücksverwaltungsgesellschaft auch vollumfassend verwaltet. Die GmbH (Klägerin) trat selbst nicht in Erscheinung. Sie hat die Verwaltung vollständig der Grundstücksverwaltungsgesellschaft überlassen. Auch eine personelle Verflechtung zwischen Klägerin und Grundstücksverwaltungsgesellschaft bestand nicht. Es waren für beide Gesellschaften jeweils unterschiedliche Geschäftsführer tätig.

Das ist die Streitfrage

Fraglich war, ob die GmbH mit den Einkünften aus der Vermietung der inländischen Immobilie der deutschen Gewerbesteuer unterliegt. Dies könnte jedoch nur dann der Fall sein, wenn die Klägerin im Inland über eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 der Abgabenordnung (AO) verfügen würde.

So hat das Finanzgericht entschieden

Das Finanzgericht hat das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte und somit eine Gewerbesteuerpflicht der GmbH (Klägerin) im Ergebnis bejaht. Entscheidungserheblich für das Finanzgericht war letztlich, dass die inländische Immobilie durch einen inländischen Grundstücksverwalter auf Basis einer vollumfänglichen (!) Hausverwaltungsvollmacht umfassend und ohne Zutun der Klägerin verwaltet worden ist. Die klagende GmbH habe somit bei dem inländischen Grundstücksverwalter eine inländische Betriebsstätte begründet und unterliege damit der inländischen Gewerbesteuerpflicht.

Unsere Einschätzung

Nach Ansicht des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg kann somit die bloße – vertraglich abgesicherte – Wahrnehmung verwaltender Aufgaben im Zusammenhang mit einer in Deutschland gelegenen Immobilie durch eine in Deutschland ansässige Dienstleistungsgesellschaft für die Bejahung einer inländischen Betriebsstätte genügen. Die Entscheidung stützt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg auf mehrere Urteile des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 2011 und 2015 (BFH-Urteil vom 24.08.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014 S. 764; BFH-Urteil vom 23.02.2011 – I R 52/10, BFH/NV 2011 S. 1354; BFH-Urteil vom 08.06.2016 – I B 3/14, BFH/NV 2015, 1553).

Dabei verkennt das Finanzgericht Berlin-Brandenburg unseres Erachtens jedoch die Tatsache, dass die Rechtsgrundsätze der vorgenannten Urteile des Bundesfinanzhofs nicht auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet werden können. Im Unterschied zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs aus den Jahren 2011 und 2015 liegt im vorliegenden Sachverhalt gerade keine Personenidentität der Leitungsorgane zwischen Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft vor, welche jedoch nach Ansicht des Bundesfinanzhofs Voraussetzung für die Begründung einer inländischen Betriebsstätte gewesen wäre. Diese Ansicht wurde im Nachgang zu den Urteilen durch das Schrifttum bestätigt.

Das sehr weite Verständnis des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zur Begründung einer Betriebsstätte bei einer beauftragten inländischen Grundstücksverwaltungsgesellschaft überzeugt uns nicht. Insbesondere würde eine solche weite Auslegung des Begriffs Betriebsstätte auch in vielen anderen Fällen der Einschaltung von Subunternehmen dazu führen, dass dadurch eine Betriebsstätte des Auftraggebers am Ort der Betriebsstätte des Auftragnehmers begründet würde. Dies erscheint uns nicht sachgerecht. Aber warten wir die Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Revisionsverfahren ab.

Das Urteil ist jedoch für ausländische Immobilien-Investoren von praktischer Bedeutung. Da deutsche Immobilien zur Vermeidung einer Gewerbesteuerpflicht häufig über ausländische Gesellschaften erworben werden, sollte das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zum Anlass genommen werden, die von ausländischen Immobiliengesellschaften mit inländischen Dienstleistern unterhaltenen Vertragsbeziehungen noch einmal eingehend zu überprüfen. Darin sollten keinesfalls vollumfängliche Grundstücksverwaltungsvollmachten ausgestellt werden. Vielmehr sollten die Aufgaben auf mehrere, voneinander wirtschaftlich unabhängige Sub-Unternehmen verteilt werden. Einzelne Tätigkeiten sollten dabei auch von ausländischen Immobiliengesellschaft selbst übernommen werden.

Alternativ ist die Einschaltung eines ausländischen Grundstücksverwalters möglich.

Des Weiteren sollte vorsorglich sichergestellt werden, dass die Voraussetzungen der erweiterten Grundstückskürzung gemäß § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. Gewerbesteuergesetz (GewStG) erfüllt werden und insbesondere keine schädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen erfolgt. Sind die Voraussetzungen der erweiterten Grundstückskürzung erfüllt, sind die Grundstückserträge – trotz möglicherweise bestehender Gewerbesteuerpflicht – von der Gewerbesteuer befreit.
Falls Sie Fragen haben, sprechen Sie uns gerne an. Wir beraten Sie gerne.

Matthias Meyer

Partner, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Diplom-Kaufmann

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