Neue Technologien: Vernetzt vom Feld bis zum Geld

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Die positiven Effekte der Digitalisierung sind unbestritten, aber können alle Betriebe die neuen Möglichkeiten nutzen? Das fragte Ecovis den bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner.

Herr Minister Brunner, Sie werben für eine Landwirtschaft mit möglichst vielen bäuerlichen Familienbetrieben. Nun ist die Digitalisierung in der Landwirtschaft im Vormarsch. Ist das aber nicht eher nur für große Agrarbetriebe interessant und wird zu einem beschleunigten Strukturwandel führen?

Helmut Brunner: Diese Befürchtung habe ich nicht. Denn es sind gerade auch die Nebenerwerbsbetriebe, die beim überbetrieblichen Maschineneinsatz durch Maschinenringe oder Lohnunternehmen die modernste und mit allen digitalen Möglichkeiten ausgestattete Technik anfordern. Zudem bietet die Digitalisierung unserer Branche noch enorme Potenziale, denken Sie nur an Effizienzsteigerung, Ressourcenschonung oder die Verbesserung des Tierwohls. Durch gezielte Forschungsprojekte an unseren Landesanstalten möchte ich erreichen, dass auch unsere kleinteilige Land- und Forstwirtschaft diese Vorteile nutzen und davon profitieren kann.

Nicht jeder kann oder will die Digitalisierung nutzen. Denn schnelles Internet ist nicht überall verfügbar, zudem fällt es älteren Betriebsleitern oft schwer, sich den Umgang mit der neuen Technik anzueignen. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie diese Probleme angehen?

Derzeit unternimmt der Freistaat enorme Anstrengungen, ganz Bayern mit schnellen Internetzugängen auszustatten. Dafür hat die Staatsregierung ein bundesweit einmaliges Förderprogramm mit einem Finanzvolumen von 1,5 Milliarden Euro aufgelegt. Dass der rasante technische Fortschritt gerade vielen älteren Menschen Schwierigkeiten bereitet, ist kein Phänomen der Landwirtschaft. Darauf müssen wir Rücksicht nehmen und entsprechende Hilfen anbieten. Nehmen Sie zum Beispiel unseren Mehrfachantrag. Mittlerweile nutzen fast 80 Prozent der Antragsteller die Möglichkeit, den Antrag online zu stellen. Diese hohe Rate haben wir nur erreicht, weil unsere Verwaltung die Landwirte von den vielen Vorteilen des Online-Antrags überzeugt und sie mit zahlreichen Schulungsangeboten intensiv unterstützt hat. Trotzdem bieten wir den Landwirten aber auch weiter eine Antragstellung auf dem Papierweg an. Unsere Berater weisen zudem immer wieder darauf hin, welche technischen Möglichkeiten speziell der überbetriebliche Einsatz von Maschinen bietet, die Maschinenringe und Lohnunternehmer flächendeckend vorhalten.

Die Digitalisierung kostet Geld, das gerade in kleineren Betrieben für umfangreiche Investitionen häufig fehlt. Wo setzen Sie an, um allen die gleichen Chancen einzuräumen?

Die Digitalisierung ist ja ein breites Feld mit unzähligen Einsatzbereichen – angefangen bei der Kommunikation mit mobilen Endgeräten über die Vernetzung von Ställen oder des ganzen Hauses bis hin zu Robotern und autonomen Fahrzeugen. Dazu ist also nicht immer die ganz große Investition nötig. Auch mit vergleichsweise geringem Aufwand können kleinere Betriebe durchaus die Vorteile der Digitalisierung nutzen. Wenn entsprechende Maschinen, Geräte und technische Ausstattungen in Ställen zum Einsatz kommen – etwa Melkroboter oder Maschinen für die Grundfuttervorlage oder für die Stallreinigung –, können diese auch über die einzelbetriebliche Investitionsförderung bezuschusst werden. Das Ziel unserer bayerischen Agrarpolitik ist es, allen Betrieben Perspektiven zu geben, unabhängig von Größenordnung und Ausrichtung.

Die Digitalisierung stellt auch die Berater bei der strategischen Ausrichtung der Betriebe vor neue Herausforderungen, etwa wenn es darum geht, wie ein Hof künftig aufgestellt sein muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie kann die Politik hier unterstützen?

Die strategische Unternehmensausrichtung sehe ich nach wie vor als wichtiges Aufgabenfeld der Offizialberatung. Dazu müssen die Landwirtschaftsberater unvoreingenommen und ohne feste Schemata die persönlichen, betrieblichen und regionalen Verhältnisse eines landwirtschaftlichen Unternehmens gemeinsam mit der Betriebsleiterfamilie analysieren und zusammen Lösungsansätze für die betriebliche Weiterentwicklung erarbeiten. Die individuellen Möglichkeiten sind ja vielfältig: Das kann eine Ausweitung des bisherigen Kerngeschäfts sein, die Vertiefung der Wertschöpfung durch die Weiterverarbeitung der eigenen Erzeugnisse, aber auch durch den Aufbau weiterer Unternehmensstandbeine. Gerade im Bereich der Diversifizierung bietet Bayern mit seinen vitalen ländlichen Räumen und der relativ hohen Kaufkraft vor Ort vielfältige Chancen und Alternativen. Klar ist: Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht. Die einzelne Bauernfamilie mit ihren individuellen Bedürfnissen und Wünschen muss immer im Mittelpunkt stehen.

Agrarwirtschaft weit vorn

Mittelständische Unternehmen erkennen zwar die Bedeutung der Digitalisierung, investieren aber nicht in digitales Know-how. Führend bei der technischen Ausstattung ist die Agrarwirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von GfK Enigma, die im Auftrag der DZ Bank durchgeführt wurde. Gegenwärtig spielt für 74 Prozent der befragten Betriebe das Thema digitale Technologien im Herstellungs- bzw. Wertschöpfungsprozess eine sehr wichtige bzw. wichtige Rolle. Im Vergleich dazu liegt dieser Wert bei allen befragten Unternehmen bei 51 Prozent. Auch künftig wird mit 88 Prozent der Digitalisierung im agrarwirtschaftlichen Bereich eine tragende Rolle zugeschrieben. Interessant ist die Frage nach der Digitalisierung als Bestandteil der Betriebsstrategie. Hier haben Unternehmer der Agrarbranche ebenfalls die Nase vorn: 70 Prozent der Befragten beantworteten die Frage mit Ja, insgesamt waren es lediglich 49 Prozent. Den Weg zur weiteren Nutzung neuer Technologien wird die Branche nicht durch Einstellung von Facharbeitern gewährleisten (lediglich 10 Prozent), sondern sie bereitet sich auf die Herausforderung mit einer stärkeren Ausrichtung der Ausbildung auf Digitalisierung vor. Mit rund 63 Prozent (gesamt: 41 Prozent) nimmt die Agrarwirtschaft auch hier die Spitzenposition ein.

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